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Drum prüfe, wer seine Händler preislich bindet…

Ein Händler muss frei sein, die Höhe seiner Wiederverkaufspreise für die von ihm angebotenen Waren selbst festzulegen. Mindest- oder Festpreisbindungen durch einen Hersteller sind kartellrechtlich regelmäßig verboten; Höchstpreisbindungen dagegen grundsätzlich erlaubt. Ebenso ist es Herstellern erlaubt, unverbindliche Preisempfehlungen auszusprechen. Dies allerdings nur, soweit sich diese Preisempfehlungen nicht infolge der Ausübung von Druck oder der Gewährung von Anreizen tatsächlich wie Fest- oder Mindestverkaufspreisbindungen auswirken. Soweit der Gesetzestext – in der Praxis besteht jedoch häufig Unsicherheit, wie weit ein Hersteller in seiner Einflussnahme auf Händler gehen kann, ohne dass aus einer zulässigen Preisempfehlung aus Sicht der Kartellbehörden eine unzulässige und bußgeldbedrohte Preisbindung wird.

Das Bundeskartellamt hat am 25. Januar 2017 den Entwurf eines Hinweispapiers zum Preisbindungsverbot veröffentlicht. Er ist an den stationären Lebensmitteleinzelhandel gerichtet. Dem Entwurf lassen sich jedoch viele allgemeingültige Hinweise entnehmen, wie das Bundeskartellamt zukünftig mit Fragen der Preisbindung umgehen wird.

Vereinbarung von Fest- und Mindestpreisen

Vereinbarungen über Fest- oder Mindestpreise eines Händlers sind unzulässig, soweit nicht ausnahmsweise ein Freistellungstatbestand erfüllt ist. Dies gilt unabhängig davon, ob eine Preisbindung unmittelbar vereinbart oder mittelbar durchgesetzt wird. Mittelbar kann dies durch die Ausübung von Druck (z. B. Drohung mit Lieferstopp, Liefereinschränkungen, sonstigen Nachteilen) oder durch Gewährung von Anreizen (z. B. Preispflegerabatte, Boni, sonstige Vorteile) geschehen. Auch das Einverständnis eines Händlers vermag eine Preisbindung nicht zu rechtfertigen. Der kartellrechtlich unzulässigen Fest- oder Mindest-preisbindung steht es gleich, wenn der Händler es dem Hersteller überlässt, den Wiederverkaufspreis des Händlers (z. B. durch Direkteingabe in dessen Warenwirtschaftssystem) festzusetzen (Rn. 46). Auch Spannenaufschläge auf den Einkaufspreis sowie die Mindest- oder Festpreisbindung an den Referenzpreis eines anderen Händlers sind verboten (Rn. 47). Schließlich gilt das Preisbindungsverbot über alle Handelsstufen hinweg, also auch zwischen Hersteller und Großhändler oder zwischen Groß- und Einzelhändler. Ausgenommen sind nur konzerninterne Vereinbarungen, wie bei vertikal integrierten Unternehmen, oder echte Handelsvertreterverhältnisse.

Verbot der versuchten Preisbindung

Fest- und Mindestpreisbindung sind nach EU-Kartellrecht nur dann unzulässig, wenn sie auf einer (sei es durch konkludentes Handeln geschlossenen) Vereinbarung oder einer Abstimmung zwischen Hersteller und Händler beruhen. Rein einseitige (erfolglose) Versuche des Herstellers, eine Preisbindung zu erreichen, werden von Art. 101 Abs. 1 AEUV nicht erfasst. Im Gegensatz dazu untersagt das deutsche Kartellrecht in § 21 Abs. 2 GWB bereits das einseitige Androhen oder Zufügen von Nachteilen und das Versprechen oder Gewähren von Vorteilen, soweit dies mit dem Ziel erfolgt, einen anderen zu einem kartellrechtlich verbotenen Verhalten zu veranlassen. Anders formuliert: Wer als Hersteller seinem Händler einen Rabatt anbietet, wenn dieser einen bestimmten Mindestpreis nicht unterschreitet, verstößt unabhängig davon gegen deutsches Kartellrecht, ob der Händler diesem Ansinnen nachkommt oder nicht. Exkurs: Höchstpreisbindungen mögen zwar kartellrechtlich grundsätzlich zulässig sein. Wird ein Händler vom Hersteller jedoch durch die Androhung von Nachteilen zu einer solchen zulässigen Höchstpreisbindung gezwungen, kann das einen Verstoß des Herstellers gegen § 21 Abs. 3 Nr. 1 GWB begründen (Verbot des Zwangs zu einem wettbewerbsbeschränkenden, aber kartellrechtlich zulässigen, da freigestellten Verhalten).

Unverbindliche Preisempfehlungen (UVP)

Kartellrechtlich zulässige unverbindliche Preisempfehlungen sind einseitige Äußerungen des Herstellers über die aus seiner Sicht sinnvolle Höhe des Wiederverkaufspreises. Ein Hersteller darf seine UVP auch erläutern, solange diese Erläuterung die Unverbindlichkeit der Empfehlung nicht infrage stellt. Bewegt sich der Hersteller innerhalb dieser Grenzen, kann ein Händler der unverbindlichen Preisempfehlung folgen, ohne dass sein Marktverhalten zum Ausdruck einer Preisbindung wird (Rn. 52).

Spannengarantien/Nachverhandlungen

Spannengarantien und Ausgleichsforderungen bewertet das Bundeskartellamt als potentiell problematisch. Eine Spannengarantie könne ggf. als Zusicherung des Herstellers gewertet werden, dass der übrige Handel bei der Preissetzung gemäß UVP "mitziehe". Ausgleichsforderungen durch den Händler unter Hinweis auf die Preisgestaltung seiner Mitbewerber seien ggf. Druckausübung auf den Hersteller mit dem Ziel, diesen zur Etablierung oder Aufrechterhaltung eines (höheren) Preisniveaus bei seinen anderen Händlern zu veranlassen (Rn. 78).

Aktionsplanung

Werden die Zeiträume für die vom Hersteller geförderten Verkaufsaktionen im Rahmen von Jahresgesprächen vorab festgelegt, ist dies auch dann kartellrechtlich zulässig, wenn der Hersteller dabei die Aktionszeiträume anderer Händler berücksichtigt, um sicherzustellen, dass nicht sämtliche Händler gleichzeitig herstellergeförderte Aktionen mit den gleichen Produkten durchführen (Rn. 70). Weitere Aktionen, die der Händler auf eigene Kosten plant und durchführt, können vom Hersteller jedoch nicht unterbunden werden (Rn. 71).

Datenaustausch zwischen Händlern und Herstellern

Grundsätzlich gilt auch nach Auffassung des Bundeskartellamts: Die Bereitstellung von Absatzdaten durch Händler an Hersteller ist kartellrechtlich zulässig (Rn. 95). Datenlieferungen dürfen allerdings nicht zu einer Abstimmung oder Absprache des Preissetzungsverhaltens des Händlers "missbraucht" werden.

Rechtfertigung

Preisbindungen sind nach Ansicht des Bundeskartellamts "nur ausnahmsweise" einer Rechtfertigung mit Effizienzen zugänglich. Genannt werden die aus den Vertikal-Leitlinien der EU-Kommission bereits bekannten Fälle der Markteinführung neuer Produkte (Rn. 31), der kurzfristigen Sonderangebotskampagnen in Franchise- und franchiseähnlichen Vertriebssystemen sowie der Vermeidung von Trittbrettfahrern bei beratungsintensiven Produkten (Rn. 30). In der Praxis wird insbesondere der letztgenannte Ansatz häufig daran scheitern, dass das Bundeskartellamt hohe Hürden für die Erforderlichkeit einer Preisbindung aufstellt.

Bußgeld- oder Verwaltungsverfahren?

Das Bundeskartellamt legt sich fest: Eindeutige Verstöße gegen das Preisbindungsverbot, bei denen eine Effizienzrechtfertigung nicht ersichtlich ist, werden im Wege des Bußgeldverfahrens aufgegriffen (Rn. 108). In Zweifelsfällen, in denen unklar ist, ob ein Verstoß gegen das Preisbindungsverbot vorliegt oder eine Effizienzrechtfertigung in Betracht kommt, bleibt es dagegen meist beim Verwaltungsverfahren (Rn. 111).

Offene Fragen/Kritik

Der Entwurf des Hinweispapiers zum Preisbindungsverbot lässt eine Reihe von Fragen unbeantwortet, u. a.: Handelt es sich bei Fest- und Mindestpreisbindung entgegen der aktuellen Entscheidungspraxis des OLG Celle (Urt. v. 7.4.2016, 13 U 124/15 Kart) stets um bezweckte (Rn. 14) und damit spürbare Wettbewerbsbeschränkungen (Rn. 16)? Welche verbotenen vertikalen Preisbindungen sind keine Vereinbarungen, aber abgestimmte Verhaltensweisen? Welche Regeln gelten für den dualen Vertrieb, wenn ein Hersteller seine Produkte auch direkt an Endabnehmer vertreibt und gleichzeitig gegenüber seinen Händlern unverbindliche Preisempfehlungen ausspricht?

Der Entwurf des Hinweispapiers offenbart zudem eine weiterhin (zu) kritische Auffassung des Bundeskartellamts zu vertikalen Preisbindungen, u. a.: Bereits die bloße Rückmeldung eines Händlers, dass er der UVP folgt, soll nach Ansicht des Bundeskartellamts aus einer zulässigen Preisempfehlung eine unzulässige Preisbindung machen können (Rn. 57 f.). Träfe dies zu, würde die als solche zulässige UVP für den Hersteller zum unkalkulierbaren Risiko. Es hinge nur von der Rückäußerung des Händlers und von der kartellbehördlichen Interpretation ab, ob eine Rückäußerung als Zustimmung zu einer angetragenen Preisbindung gewertet wird. Nach Ansicht des Bundeskartellamts verstößt ein Händler bereits durch die bloße Befolgung einer UVP gegen das Preisbindungsverbot, wenn der Hersteller für den Fall des Unterschreitens dieser UVP Nachteile angedroht hat (Rn. 62 f.). Träfe dies zu, würde ein Händler, der sich allein aus autonomen Erwägungen zur Befolgung der UVP entscheidet, zum Widerspruch gegen den Hersteller gezwungen, obwohl das Gesetz ein solches Widerspruchserfordernis nicht kennt.

Praxisempfehlung

Sensibilisieren Sie Ihren Vertrieb, ohne zulässige Handlungsspielräume aufzugeben. Der Grat zwischen erlaubten unverbindlichen Preisempfehlungen und verbotenen Preisbindungen ist allerdings schmal. Preisbindungspraktiken werden zukünftig noch stärker, d. h. vor allem in einer größeren Breite, in den Fokus der Kartellbehörden geraten. Händlerbeschwerden bei den Kartellbehörden dürften zunehmen. Sie sind aus Händlersicht ein legitimes, in einigen Fällen – folgt man dem Entwurf des Hinweispapiers – sogar ein gebotenes Mittel, um als Händler durch ein der UVP entsprechendes Marktverhalten nicht selbst in den Verdacht eines Verstoßes gegen das Preisbindungsverbot zu kommen. Werden Sie nicht müde, Ihre Händler darauf hinzuweisen, dass sie ungeachtet einer UVP in ihrer Preissetzung frei sind. Ergibt sich die Gelegenheit, dokumentieren Sie dies. Und schließlich, merken Sie sich die endgültige Fassung des Hinweispapiers für eine Anpassung Ihres kartellrechtlichen Compliance-Programms vor.

Wenn Sie Fragen zu diesem Thema haben, wenden Sie sich bitte an Herrn Dr. Christian Heinichen.

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