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Diskriminierung nach dem AGG und Beweiskraft von Statistiken

Bundesarbeitsgericht vom 18. September 2014 – 8 AZR 753/13

Sachverhalt:

Die Arbeitgeberin suchte eine Buchhaltungskraft mit abgeschlossener kaufmännischer Ausbildung für die Besetzung einer Vollzeitstelle. Die Mutter eines schulpflichtigen Kindes bewarb sich. Im Lebenslauf wies sie auf ihre Ausbildungen als Verwaltungs- und Bürokauffrau hin. Außerdem gab sie ihren Familien stand mit „Verheiratet, ein Kind“ an. Die Bewerberin erhielt eine Absage. Auf dem zurückgesandten Lebenslauf war der Angabe zum Familienstand handschriftlich der Zusatz "7 Jahre alt!" hin zugefügt. Die entstandene Wortfolge "Ein Kind, 7 Jahre alt!" war zudem unterstrichen. Die abgelehnte Bewerberin sah sich als verheiratete Mutter eines schulpflichtigen Kindes benachteiligt, da sie wegen ihres Geschlechtes diskriminiert worden sei. Sie sei abgelehnt worden, weil die Arbeitgeberin eine Vollzeittätigkeit und die Betreuung eines siebenjährigen Kindes auch im Falle einer verheirateten Frau für nicht oder nur schlecht vereinbar halte.

Die Entscheidung:

Die Vorinstanz hatte die Arbeitgeberin wegen Diskriminierung der Bewerberin zur Zahlung einer Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verurteilt. Eine Diskriminierung kann auch wegen eines augenscheinlich neutralen Differenzierungskriteriums erfolgen. Das an sich neutrale Merkmal der Kinderbetreuung liege bei Frauen häufiger als bei Männern vor. Mütter würden häufiger nicht oder nur in Teilzeit arbeiten als Väter. Die Vorinstanz hatte zur Begründung ihrer Entscheidung eine Statistik zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf (Mikrozensus 2010 des Statistischen Bundesamts) herangezogen. Das BAG sah die herangezogene Statistik zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf für den Rechtsstreit nicht als aussagekräftig an, da ihr keine Zahlenangaben / Geschlechterquoten hinsichtlich des (Miss-) Erfolgs von Bewerbungen für Vollzeitarbeitsstellen entnommen werden könnten.

Konsequenzen für die Praxis:

Abgelehnte Bewerber, die sich wegen ihres Geschlechts diskriminiert fühlen, müssen im Streitfall theoretisch nur Indizien beweisen, die eine Benachteiligung vermuten lassen. Gelingt dies, muss der Arbeitgeber nachweisen, dass keine solche vorliegt. In der Praxis gelingt Bewerbern schon die Darlegung der erforderlichen Indizien nicht immer. Auch der Verweis auf Statistiken führt nicht in jedem Fall zum Erfolg. Zwar hat das BAG in einer früheren Entscheidung gezeigt, dass auch die Erhebungen einer Statistik geeignetes Indiz sein können. Jedoch hat das Gericht nun ausdrücklich klargestellt, dass eine Statistik für den jeweils konkreten Fall aussagekräftig sein muss. Eine Statistik, die beispielsweise Nachteile für Frauen im Berufsleben belegt, ermöglicht daher nicht automatisch eine erfolgreiche Beweis­führung für eine Entschädigungsklage nach dem AGG. So indiziert etwa eine statistisch dargelegte Unterrepräsentanz von Frauen in den Führungsetagen eines Unternehmens keine mittelbare Benachteiligung, solange nicht gleichzeitig in der Statistik gezeigt wird, dass sich immer gleich viele an sich geeignete Frauen und Männer um entsprechende Führungspositionen bewerben.

Praxistipp:

Arbeitgeber sollten vermeiden, in Bewerbungsunter­ lagen Vermerke oder Kennzeichnungen vorzunehmen, sofern sie an Bewerber zurückgesandt werden. Auch das beliebte Anbringen von "Klebezetteln" mit Notizen in Bewerbungsmappen ist zu vermeiden. Sicherheitshalber sollten Unterlagen abgelehnter Bewerber sorgfältig vor einer Rücksendung geprüft werden. Arbeitgeber laufen sonst Gefahr, Indizien zu liefern, auf die abgelehnte Bewerber eine erfolgreiche Entschädigungsklage stützen können.

Bei Fragen zu diesem Thema kontaktieren Sie bitte: Dr. Claus Fischer

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