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Bundesgerichtshof: Die Gemeinnützigkeit indiziert die Eintragungsfähigkeit eines wirtschaftlich tätigen Idealvereins

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 16.5.2017, Az. II ZB 7/16

In Anbetracht der Verfahren zur Amtslöschung des ADAC und des FC Bayern München e.V. (wir berichteten in unserem Newsletter vom Juni 2017) ist Unsicherheit darüber entstanden, in welchem Umfang ein Idealverein im Sinne des § 21 BGB wirtschaftliche Tätigkeiten entfalten darf. Hierüber hat der BGH kürzlich zugunsten der Vereine weitgehende Klarheit geschaffen:

Gegenstand der Entscheidung war ein Kindergartenverein, der neun Kindertagesstätten mit einer Größe von jeweils 16 bis 32 Kindern entgeltlich betrieb. Der Verein ist vom Finanzamt als gemeinnützig anerkannt worden; er ist ferner im Vereinsregister eingetragen. Das registerführende Amtsgericht Charlottenburg hatte allerdings ein Amtslöschungsverfahren mit der Begründung eingeleitet, dass der Verein mittlerweile neun Kitas betreibe und wirtschaftlich tätig sei, und die Löschung des Vereins angedroht.

Nach Auffassung des BGH erfolgte diese Drohung zu Unrecht. Voraussetzung für eine Amtslöschung sei, dass der Vereinszweck auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist. Dies sei, trotz der Anzahl der betriebenen Kitas, nicht der Fall. Vielmehr könne, so das Gericht, auch bei umfangreicher wirtschaftlicher Aktivität ein nichtwirtschaftlicher Verein im Sinne des § 21 BGB vorliegen, wenn er zur Erreichung seiner ideellen Ziele unternehmerische Tätigkeiten entfaltet und diese dem nichtwirtschaftlichen Hauptzweck zu- und untergeordnet und Hilfsmittel zu dessen Erreichung sind (Nebenzweckprivileg). Als maßgebend für die Erfüllung dieser Voraussetzung erachtete der BGH, dass der Verein als gemeinnützig im Sinne der §§ 51 ff. Abgabenordnung (AO) anerkannt ist. Zwar sei dies nicht automatisch gleichbedeutend damit, dass ein Verein nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb ausgerichtet ist, gleichwohl komme diesem Umstand Indizwirkung zu.

Bei dieser Aussage bezieht sich das Gericht auf die Gesetzeshistorie, die zeige, dass lediglich die Vereine, deren ausschließlicher oder Hauptzweck auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist, als Idealvereine im Sinne des § 21 BGB ausscheiden sollten. Weiter führt das Gericht aus, dass in diesem Zusammenhang auch zu berücksichtigen sei, dass der Gesetzgeber als Gegenstück zum Idealverein die Gesellschaften (GmbH, AG etc.) vorgesehen habe, deren Handeln auf Geschäftsgewinn und den wirtschaftlichen Vorteil des Einzelnen abziele. Gerade hierin unterscheide sich aber der als gemeinnützig anerkannte Verein, denn nach § 55 AO dürften von diesen nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke, wie z. B. gewerbliche Zwecke oder sonstige Erwerbszwecke, verfolgt werden. Ferner verweist das Gericht darauf, dass nach der Norm die Mitglieder keine Gewinnanteile und auch keine sonstigen Zuwendungen aus Mitteln der Körperschaft erhalten dürften, sondern der Verein müsse seine Mittel vorbehaltlich des § 62 AO (dieser benennt zulässige Rücklagen) zeitnah für seine steuerbegünstigten Zwecke verwenden.

Gründe des Gläubigerschutzes, der den §§ 21 und 22 BGB als Gedanke zugrunde liegt, stehen nach Ansicht des Gerichts der Beurteilung nicht entgegen: Auch wenn ein Verein einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb von einer bestimmten Größe unterhalte, um die erforderlichen Mittel zur Erreichung der ideellen Zwecke zu erwirtschaften, seien damit keine höheren Risiken für den Rechtsverkehr verbunden, da die Einhaltung der Voraussetzungen des § 55 AO und insbesondere das Verbot der Gewinnausschüttung an die Mitglieder einer solchen Gefahr entgegenstünden. Auch würde durch das Verbot der Anreiz gesenkt, erhebliche unternehmerische Risiken einzugehen. Das Ausschüttungsverbot werde zudem durch die Finanzverwaltung in effektiver Weise überwacht.

Auch wettbewerbsrechtliche Gründe sprechen nach Ansicht des Gerichts nicht dagegen, den Verein als Idealverein im Sinne des § 21 BGB anzusehen, denn die §§ 21 und 22 BGB seien ihrem Schutzzweck nach keine unmittelbar wettbewerbsregelnden Normen.

Als Folge für die Praxis bleibt festzuhalten, dass sich durch den Beschluss des BGH die Rechtsicherheit für Vereine erheblich erhöht. Es dürfte künftig regelmäßig von der Gemeinnützigkeit auf die Eintragungsfähigkeit des Vereins geschlossen werden. Auf den Umfang der wirtschaftlichen Betätigung kommt es nicht mehr an, sondern auf deren Dienlichkeit für die satzungsmäßigen Zwecke. Zwar soll der Gemeinnützigkeit nur eine Indizwirkung zukommen. Eine Ausnahme dürfte aber allenfalls dann in Betracht kommen, wenn im Einzelfall Anlass für eine konkrete Gefahr im Hinblick auf den Gläubigerschutz (Normzweck des § 21 BGB) bestehen sollte.

Wenn Sie Fragen zu diesem Thema haben, wenden Sie sich bitte an Herrn Dr. Klaus Zimmermann.

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