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BGH-Rechtsprechung ermöglicht Abtretung von Freistellungsansprüchen aus D&O-Versicherung

Zur Zulässigkeit der Abtretung von Freistellungsansprüchen aus D&O-Versicherungen

BGH, Urteil v. 13.04.2016, IV ZR 304/13 und BGH, Urteil v. 13.04.2016, IV ZR 51/14

Rechtstreitigkeiten im Bereich der Organ- und Managerhaftung sind häufig langwierig und für sämtliche Beteiligte extrem belastend. Ursächlich hierfür ist vor allem das rechtliche Konstrukt der sog. D&O-Versicherung. Versicherungsnehmerin ist üblicherweise das Unternehmen, das die D&O-Versicherung als Haftpflichtversicherung abschließt. Versicherte Personen sind hingegen die im Unternehmen tätigen Organe (Geschäftsführer, Vorstände) und Manager (Prokuristen, leitende Angestellte, etc.). Diese sollen durch die D&O-Versicherung abgesichert und im Schadensfall – häufig belaufen sich die Schadenersatzsummen im zweistelligen Millionenbereich – vor dem finanziellen Ruin bewahrt werden.

Während der D&O-Versicherer diesen versicherten Personen Abwehrschutz in Bezug auf unbegründete Inanspruchnahmen und Freistellung hinsichtlich begründeter Schadenersatzansprüche gewährt, stehen dem geschädigten Unternehmen hingegen im Schadensfall keine unmittelbaren Ansprüche gegenüber dem D&O-Versicherer zu. Das geschädigte Unternehmen ist daher zur Erlangung der Versicherungsleistungen gezwungen, zunächst die versicherte Person persönlich in Anspruch zu nehmen und, sofern der D&O-Versicherer den Schaden nicht freiwillig reguliert, zu verklagen (sog. Haftpflichtprozess). Ist das – häufig über mehrere Instanzen gehende – Gerichtsverfahren gegen den Vorstand bzw. Manager über den Haftungsgrund abgeschlossen, so droht im Falle der Zahlungsverweigerung des D&O-Versicherers oftmals ein zweiter, langwieriger Prozess der versicherten Person gegen den D&O-Versicherer auf Freistellung (sog. Deckungsprozess). Eine sowohl für das geschädigte Unternehmen als auch die persönlich in Anspruch genommene versicherte Person eine langwierige, kostenintensive und extrem belastende Prozedur.

Der BGH hat nun mit zwei Grundsatzentscheidungen (IV ZR 304/13 und IV ZR 51/14) die Möglichkeit eröffnet, den Haftpflicht- und Deckungsprozess in einem Verfahren zu bündeln.

  • Der BGH hat entschieden, dass eine versicherte Person einer D&O-Versicherung (z. B. Vorstand, Geschäftsführer, Prokurist, leitender Angestellter etc.), die aufgrund einer Pflichtverletzung von dessen Unternehmen auf Schadenersatz in Anspruch genommen wird, den Freistellungsanspruch gegen den D&O-Versicherer an das geschädigte Unternehmen abtreten kann. Der BGH stellt in seinen Entscheidungsgründen klar, dass das durch eine versicherte Person geschädigte Unternehmen "Dritter" im Sinne von § 108 Abs. 2 VVG ist und insoweit dahingehende Abtretungsverbote in Versicherungsbedingungen wegen der zwingenden gesetzlichen Regelung in § 108 Abs. 2 VVG unwirksam sind.
  • Der BGH hat ferner entschieden, dass ein Versicherungsfall nicht mit der Begründung verneint werden darf, es fehle an einer "ernstlichen Inanspruchnahme" der versicherten Person. Mit dieser Begründung hatte das Oberlandesgericht Düsseldorf die Klage des geschädigten Unternehmens in der Berufungsinstanz abgewiesen. Der BGH stellte in diesem Zusammenhang klar, dass über die Versicherungsbedingungen und die allgemeinen Regeln in den §§ 116 bis 118 BGB hinaus kein "ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal" der "ernstlichen Inanspruchnahme" existiert, also das Erfordernis nach einem Vorsatz des geschädigten Unternehmens, die versicherte Person auch persönlich in Anspruch nehmen zu wollen. Ausschlaggebend ist allein der Wortlaut der Versicherungsbedingungen. Bei Unklarheiten der Versicherungsbedingungen müssen letztere aus Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers ausgelegt werden. Im zu entscheidenden Fall war nach Auffassung des BGH anhand der Versicherungsbedingungen für einen durchschnittlichen D&O-Versicherungsnehmer – v. a. angesichts der Regelung in § 108 Abs. 2 VVG – nicht erkennbar, dass der Versicherungsfall nur eintreten soll, wenn er mit der Inanspruchnahme des Schädigers einen Zugriff auf dessen persönliches Vermögen bezweckt (so jedoch die Argumentation des D&O-Versicherers).
  • Der BGH hat zudem klargestellt, dass die Abtretung von Freistellungsansprüchen kein die Versicherungsleistungen ausschließendes "kollusives Zusammenwirken" der versicherten Person und dem geschädigten Unternehmen darstellt. Ein solches treuwidriges oder sittenwidriges Zusammenwirken im Sinne der §§ 242, 138 BGB liegt nach Auffassung des BGH erst vor, wenn der behauptete Schadensersatzanspruch nicht oder nicht in behaupteter Höhe entstanden und dies der versicherten Person und dem Unternehmen bewusst ist.



Mit seinen Urteilen hat der BGH letztlich die in Fachkreisen bis dato kontrovers diskutierte Frage geklärt, ob bei D&O-Versicherungen auch in sogenannten Innenhaftungsfällen eine Abtretung des Freistellungsanspruchs von der versicherten Person an den Versicherungsnehmer oder ein mitversichertes Tochterunternehmen möglich ist.

Bei Fragen zum Thema, kontaktieren Sie bitte: Dr. Florian Weichselgärtner

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