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BAG: Vorsicht bei Ausspruch einer Kündigung vor Ablauf der Anhörungsfrist

Bundesarbeitsgericht vom 25. Mai 2016 – 2 AZR 345/15

Sachverhalt

Ein langjähriger Arbeitnehmer war zuletzt als Sales Director beschäftigt. Diese Aufgabe sollte künftig von der Konzernobergesellschaft übernommen werden. Mit Schreiben vom 20. November 2012 hörte die Arbeitgeberin daher den Betriebsrat zu der Absicht an, dem Mitarbeiter zu kündigen und ihm die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auf einer anderen Position anzubieten. Die Vorsitzende des Betriebsrats erklärte hierauf am 26. November 2012 schriftlich, dass der Betriebsrat beschlossen habe, gegen die beabsichtigte Änderungskündigung Widerspruch einzulegen. Ergänzend führte sie aus, dass der Betriebsrat die Abschmelzung des Gehaltes, die mit dem Änderungsangebot verbunden sei, nicht für zumutbar halte und bat daher um weitere Informationen u.a. zum Bruttojahresgrundgehalt, um eine abschließende Abwägung der Gehaltseinbußen durchführen zu können. Dieser Aufforderung kam die Arbeitgeberin nicht nach. Vielmehr wurde das Kündigungsschreiben am 27. November 2012 und damit noch vor Ablauf der dem Betriebsrat zustehenden Wochenfrist dem Arbeitnehmer übergeben.

Die Entscheidung

Das BAG stellt in seiner Entscheidung klar, dass eine abschließende, das Anhörungsverfahren vorzeitig beendende Stellungnahme des Betriebsrats nur dann vorliegt, wenn der Arbeitgeber sich aufgrund besonderer Anhaltspunkte darauf verlassen darf, dass der Betriebsrat sich bis zum Ablauf der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 BetrVG nicht mehr äußern werde. Einer Äußerung des Betriebsrats während des Anhörungsverfahrens komme nur dann fristverkürzende Wirkung zu, wenn der Arbeitgeber unzweifelhaft annehmen könne, dass es sich um eine abschließende Stellungnahme handelt. Es muss sich eindeutig ergeben, dass sich der Betriebsrat bis zum Ablauf der Anhörungsfrist nicht noch einmal, und sei es nur zur Ergänzung der Begründung seiner bereits eröffneten Entschließung, äußern möchte. Hierfür bedürfe es besonderer Anhaltspunkte, denn der Betriebsrat habe die gesamte Anhörungsfrist zur Verfügung und sei nicht auf eine einmalige Äußerung beschränkt. Nicht ausreichend sei es, wenn der Betriebsratsvorsitzende dem Arbeitgeber das Ergebnis der Beschlussfassung des Gremiums mitgeteilt hat. Dies schließe für sich allein genommen eine erneute Beschlussfassung oder eine Ergänzung der mitgeteilten Beschlussgründe durch den Vorsitzenden nicht aus.

Konsequenzen für die Praxis

Entgegen früherer Entscheidungen reicht es nach dieser Rechtsprechung nicht mehr aus, wenn der Betriebsrat in der Stellungnahme äußert, er wünsche keine weitere Erörterung des Falls mehr, um eine vorzeitige Beendigung des Anhörungsverfahrens annehmen zu können. Besondere Anhaltspunkte für eine abschließende Stellungnahme liegen dann vor, wenn der Betriebsrat dem Arbeitgeber mitteilt, er stimme der beabsichtigten Kündigung ausdrücklich und vorbehaltlos zu oder erklärt, von einer Äußerung zur Kündigungsabsicht abzusehen. In anderen Fällen wird der Arbeitgeber nur von einer abschließenden Stellungnahme ausgehen können, wenn aus seiner Sicht eine weitere Äußerung des Betriebsrats zu Kündigungsabsicht ausgeschlossen ist.

Praxistipp

Auf die Betriebsratsanhörung ein besonderes Augenmerk zu legen lohnt sich, da Fehler im Anhörungsverfahren zur Unwirksamkeit der Kündigung führen. Grundsätzlich muss der Arbeitgeber daher die Anhörungsfrist abwarten, bevor er die Kündigung ausspricht. Nur wenn der Betriebsrat eine vorzeitige abschließende Stellungnahme abgegeben hat, kann ausnahmsweise eine Kündigung auch schon vor Ablauf der Frist ausgesprochen werden. Dies sollte jedoch nur dann geschehen, wenn sichere Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sich der Betriebsrat in keinem Fall mehr zur Kündigungsabsicht äußern wird. Im Zweifelsfall sollte der Arbeitgeber daher beim Betriebsratsvorsitzenden nachfragen und um eine entsprechende Klarstellung bitten.

Wenn Sie Fragen zu diesem Thema haben, wenden Sie sich bitte an Frau Lisa Kimmig.

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