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Außerordentliche Kündigung wegen Mietrückstandes – Ist die Kündigungserklärung fristgebunden?

Bundesgerichtshof, Urteil vom 13. Juli 2016 – VIII ZR 296/15

Sachverhalt

Die Beklagte mietete im Jahr 2006 Wohnraum und zahlte im Februar und April 2013 die Miete nicht. Die Klägerin mahnte die Beträge mit Schreiben vom 14. August 2013 an. Mit Schreiben vom 3. September 2013 entschuldigte sich die Beklagte, beglich die Mietrückstände aber in der Folgezeit nicht. Am 15. November 2013, demzufolge mehr als ein halbes Jahr nach Fälligkeit der Mieten, erklärte die Klägerin die außerordentliche Kündigung unter Berufung auf § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB. Nach § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB liegt ein zur außerordentlichen Kündigung berechtigender Grund unter anderem dann vor, wenn sich der Mieter mit zwei Monatsmieten – wie im streitgegenständlichen Sachverhalt – in Verzug befindet.

In der ersten Instanz wurde der Klage auf Räumung und Herausgabe stattgegeben. Dieses Urteil wurde in der Berufungsinstanz aufgehoben, die Klage abgewiesen. Die Beklagte habe sich zwar mit zwei Monatsmieten in Rückstand befunden, die Kündigung sei aber nach § 314 Abs. 3 BGB unwirksam. Die Klägerin habe die Kündigung entgegen der Vorschrift des § 314 Abs. 3 BGB nicht innerhalb einer angemessenen Frist nach Kenntniserlangung von dem Kündigungsgrund erklärt. § 314 Abs. 3 BGB sei auch in der Wohnraummiete anwendbar. Einem Vermieter, der trotz Kenntnis des Vorliegens der Kündigungsvoraussetzungen nicht innerhalb angemessener Frist kündigt, sei die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist oder aber der sonstigen Beendigung zuzumuten.

Entscheidung

Die Revision hatte Erfolg und führte zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils auf Räumung und Herausgabe. Der Zeitablauf von mehr als einem halben Jahr zwischen erstmaliger Kündigungsmöglichkeit und Kündigung steht der Wirksamkeit der Kündigung nicht entgegen. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofes ist die Vorschrift des § 314 Abs. 3 BGB auf die fristlose Kündigung eines Mietverhältnisses wegen Zahlungsverzugs nicht anwendbar, nach den Maßstäben dieser Bestimmung aber auch rechtsfehlerhaft.

Die Anwendung war bereits rechtsfehlerhaft, da sie darauf hinaus läuft, dass ein für Mieter günstiges Zuwarten unterbleibt, da der Vermieter gehalten ist, zur Vermeidung eigener Nachteile frühestmöglich eine fristlose Kündigung auszusprechen. Darüber hinaus ist § 314 Abs. 3 BGB nach Auffassung des Bundesgerichtshofes auf die fristlose Kündigung eines Mietverhältnisses wegen Zahlungsrückstandes nicht anwendbar. Eine zeitliche Beschränkung sieht die für außerordentliche Kündigung von Mietverhältnissen geltende Vorschrift des § 543 BGB anders als § 314 Abs. 3 BGB nicht vor. Die Spezialvorschrift des § 543 BGB verweise auch nicht auf § 314 Abs. 3 BGB. Darüber hinaus ergebe sich aus den Gesetzesmaterialien zu § 543 BGB und zu § 314 BGB eindeutig, dass die Vorschriften über die fristlose Kündigung eines Mietverhältnisses als abschließende spezielle Regelung konzipiert seien und von der Einfügung einer Bestimmung, wonach die Kündigung in „angemessener Frist“ zu erfolgen habe, bewusst abgesehen wurde. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofes ist die fristlose Kündigung eines (Wohnraum-)Mietverhältnisses in den §§ 543, 569 BGB abschließend geregelt, eine Anwendung des § 314 Abs. 3 BGB ausgeschlossen. Die Kündigung ist daher in der Regel nicht binnen angemessener Frist zu erklären. Nachdem auch keine Anhaltspunkte für eine Verwirkung bzw. für eine Treuwidrigkeit der Kündigung vorlagen, war die Kündigung gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 lit. b) BGB berechtigt.

Konsequenzen für die Praxis

Aus Vermietersicht ist die Entscheidung des Bundesgerichtshofes erfreulich, sie führt zu weiterer Rechtssicherheit. Bisher war umstritten, ob die aus dem allgemeinen Leistungsstörungsrecht stammende Vorschrift des § 314 Abs. 3 BGB ergänzend bei der Kündigung von Mietverhältnissen Anwendung findet, die Kündigung demzufolge binnen angemessener Frist zu erklären ist. Dieser Anwendung hat der BGH nunmehr eindeutig eine Absage erteilt. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass sich das Urteil des Bundesgerichtshofes nur auf eine Kündigung im Wohnraummietrecht bezieht. Es bleibt offen und abzuwarten, ob die Anwendung des § 314 Abs. 3 BGB auch in der Gewerberaummiete ausscheidet, d. h. auch hier nicht binnen angemessener Frist die Kündigung zu erklären ist. Hierfür sprechen gute Argumente.

Praxistipp

Vermieter von Wohn- und Gewerberäumen sollten gleichwohl nach Eintritt der Kündigungsvoraussetzungen wegen Zahlungsrückstandes nicht zu lange mit dem Ausspruch der Kündigung abwarten. In seinem Urteil spricht der BGH an, dass eine Kündigung im Einzelfall wegen Verwirkung oder aus sonstigen Gründen treuwidrig sein kann. Erweckt der Vermieter demzufolge durch das Abwarten oder durch sonstige Umstände bei dem Mieter den Eindruck, dass er wegen des Zahlungsrückstandes die Kündigung nicht erklären werde, kann diese im Einzelfall doch unwirksam sein. Darüber hinaus gibt es eine weitere Besonderheit zu berücksichtigen: Das Abwarten des Vermieters kann zu einem insolvenzrechtlichen Anfechtungsgrund führen. Bei einer erfolgreichen Anfechtung geleisteter Zahlungen durch den Insolvenzverwalter hätte der Vermieter dann erhaltene Zahlungen zurückzuerstatten. Dies kann zu ganz erheblichen Forderungen führen.

Wenn Sie Fragen zu diesem Thema haben, wenden Sie sich bitte an Herrn Florian Baumann.

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