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Ausschluss vom Vergabeverfahren wegen Nichterscheinens zum Verhandlungstermin

Die Vergabekammer Südbayern hat mit Beschluss vom 9. September 2014 die Möglichkeiten des Auftraggebers, sich in einem laufenden Vergabeverfahren von unkooperativen Bietern zu trennen, erweitert, dabei aber auch klargestellt, dass ein einmal erfolgter Rückzug eines Bieters aus dem Vergabeverfahren nicht mehr rückgängig gemacht werden kann.

Sachverhalt

In dem entschiedenen Fall hatte der Auftraggeber im Rahmen der Neustrukturierung eines Klinikums ein Vergabeverfahren zur Beschaffung von Projektsteuerungsleistungen eingeleitet. Als Vergabeart wählte der Auftraggeber das Verhandlungsverfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb.

Nach Durchführung des Teilnahmewettbewerbs wählte der Auftraggeber fünf Bewerber aus und forderte diese zur Teilnahme an einer Vergabeverhandlung auf. Zwei Tage vor dem Verhandlungstermin sagte eines der aufgeforderten Unternehmen seine Teilnahme ohne Angabe von Gründen ab. Daraufhin lud der Auftraggeber noch am gleichen Tag den auf Rang 6 platzierten Bewerber zur Teilnahme an dem Verhandlungstermin ein, den dieser jedoch ebenfalls absagte. Sodann forderte der Auftraggeber einen Tag vor dem Verhandlungstermin den auf Rang 7 platzierten Bewerber und späteren Antragsteller zur Teilnahme an dem Termin auf.

Der Antragsteller rügte diese kurzfristige Einladung mit einer Vorbereitungszeit von nur einem halben Tag als vergaberechtswidrig und reichte nach Zurückweisung seiner Rüge einen entsprechenden Nachprüfungsantrag ein. Nach einem Hinweis der Vergabekammer, dass sie die Rechtsauffassung des Antragstellers teile, erklärte sich der Auftraggeber bereit, das Verfahren in den Zeitpunkt der Aufforderung zur Angebotsabgabe zurückzuversetzen.

Daraufhin erklärte der Antragsteller das damalige Nachprüfungsverfahren für erledigt. In der Folgezeit forderte der Auftraggeber nochmals den ursprünglichen Bieterkreis einschließlich des ursprünglich fünftplatzierten Unternehmens, welches den Verhandlungstermin noch rügelos abgesagt hatte, zur Abgabe eines Angebots auf. Den Antragsteller ließ er hingegen unberücksichtigt. Alle aufgeforderten Bieter gaben ein entsprechendes Angebot ab. Dem Antragsteller teilte der Auftraggeber auf dessen Nachfrage mit, dass er ihn nicht eingeladen habe, da dieser im Teilnahmewettbewerb ledig­lich Rang 7 erreicht habe. Hiergegen reichte der Antragsteller einen weiteren Nachprüfungsantrag ein.

Entscheidungsgründe

Auch dieser Nachprüfungsantrag hatte Erfolg. Die Vergabekammer Südbayern verpflichtete den Auftraggeber, den Antragsteller zur Abgabe eines Angebots aufzufordern und das Verhandlungs­verfahren unter Einbeziehung des Angebots des Antragstellers sowie ohne die beiden Bieter, die den ersten Verhandlungstermin rügelos abgesagt hatten, zu wiederholen.

Zur Begründung führte die Vergabekammer zunächst aus, dass ein Auftraggeber, der einmal die Eignung eines Bewerbers bejaht und ihn zur Verhandlung aufgefordert hat, hieran gebunden ist, sofern sich die Sachlage nicht derart ändert, dass eine Neubeurteilung der Eignung geboten erscheint. Dies gilt auch bei einer Rückversetzung des Vergabeverfahrens zur Behebung anderer Verfahrensverstöße. Der einmal zur Angebotsabgabe aufgeforderte Bieter hat daher – auch als Nachrücker – eine geschützte Rechtsposition hinsichtlich der Teilnahme an der Verhandlungsphase erreicht.

Ferner stellte die Vergabekammer fest, dass die beiden Bieter, die den ersten Verhandlungstermin rügelos abgesagt hatten, damit endgültig aus dem Vergabeverfahren ausgeschieden sind. Die Teilnahme an Verhandlungsterminen steht nicht im Belieben der Bieter. Ist ein Bieter an einem von der Vergabestelle festge­setzten Termin verhindert, bleibt ihm nur der Weg, um einen neuen Termin zu bitten. Stellt der Termin sich als vergaberechtswidrig dar, muss der Bieter, um seine Rechte zu wahren, dies rügen. Sagt ein Bieter dagegen eigenmächtig und rügelos einen Verhandlungstermin ab, scheidet er aus dem gesamten Vergabeverfahren aus, ohne dass er dies ausdrücklich erklären muss. Dies kann auch der Auftraggeber nicht – auch nicht durch Rückversetzung des Verfahrens – rückgängig machen.

Fazit und Praxishinweis

Die Entscheidung ist als weiterer Beitrag zur Klärung der Voraussetzungen sowie der Rechtsfolgen des Rückzugs eines Bieters aus einem laufenden Vergabeverfahren begrüßenswert. In der Vergangenheit wurde bereits entschieden, dass ein Bieter mit der ausdrücklichen Erklärung seines Rückzugs seine Rechtsposition in dem Vergabeverfahren unwiderruflich verliert (OLG München, Beschluss vom 20.03.2013 – Verg 5/13). Er kann daher in diesem Vergabeverfahren keine Verfahrensrechte mehr geltend machen. Ein etwaiger Nachprüfungsantrag dieses Bieters ist bereits mangels Antragsbefugnis unzulässig.

Nach der vorliegenden Entscheidung der Vergabekammer Südbayern genügt es nunmehr für den Rückzug aus einem Verhandlungsverfahren bereits, wenn dieser eigenmächtig und rügelos nicht zu einem von der Vergabestelle angesetzten Verhandlungstermin erscheint. Einer ausdrücklichen Rückzugserklärung bedarf es nicht. Dies erweitert zunächst die Möglichkeiten des Auftraggebers, sich von Bietern, die das Vergabeverfahren durch mangelnde Mitwirkung verschleppen, zu trennen. In der Vergangenheit wurde bereits obergerichtlich entschieden, dass nach Angebotsabgabe ein Ausschluss eines Bieters wegen mangelnder Mitwirkung möglich ist, wenn dieser im Rahmen der Angebotsaufklärung unvollständige oder nicht plausible Angaben macht (s. OLG Frankfurt, Beschluss vom 12.11.2013 – 11 Verg 14/13). Nunmehr ist ein Ausschluss von das Verfahren behindernden Bietern bereits in der Verhandlungsphase möglich.

Auf der Rechtsfolgenseite schränkt die Entscheidung den Handlungsspielraum des Auftraggebers hingegen ein, da dieser keine Möglichkeit hat, einen Bieter, der unentschuldigt nicht zu einem Verhandlungstermin erschienen ist, wieder in das Verfahren zurückzuholen. Hieran kann der Auftraggeber auch durch eine Rückversetzung des Verfahrens in ein vorangegangenes Stadium nichts mehr ändern.

Damit ist die Entscheidung insbesondere für den öffentlichen Auftraggeber ein zweischneidiges Schwert. Einerseits werden seine Möglichkeiten erweitert, nicht zum Spielball der Bieter zu werden, andererseits kann auch eine kleine Unachtsamkeit eines eigentlich kooperativen Bieters zu einer ungewollten Einschränkung des Wettbewerbs führen. Die Vergabestellen sollten sich daher schon bei der Festlegung der Verhandlungstermine sowohl der Gestaltungsmöglichkeiten als auch der Risiken der Terminierung bewusst sein. Sagt in einem laufenden Vergabeverfahren ein Bieter tatsächlich seine Teilnahme an einem Verhandlungs­termin ab, so ist durch Auslegung der Erklärung zu ermitteln, ob darin eine eigenmächtige Absage oder eine – unschädliche – Bitte um Neuterminierung zu sehen ist.

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