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Arbeitsrecht im Koalitionsvertrag 2018

In meinen vergangenen Blogbeiträgen habe ich bereits über die arbeitsrechtlichen Pläne der Parteien zur Bundestagswahl 2017 sowie über den arbeitsrechtlichen Verhandlungsstand der Jamaika-Koalition berichtet: alles „Schnee von gestern“. Denn jetzt ist er da, der Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD, jedenfalls im Entwurf (Stand 07.02.2018, 12:45 Uhr).

Liebe Leserin, lieber Leser, in den letzten Wochen wurde viel über die Koalitionsverhandlungen der GroKo-Parteien berichtet. Mit der Veröffentlichung des Entwurfs des Koalitionsvertrags und insbesondere der Ressorverteilung hat sich das mediale Interesse in den letzten Tagen überschlagen. Mich interessieren (in diesem Blog) nicht die Diskussionen der Besetzung der Ministerien sondern ausschließlich 4 der 177 Seiten des Koalitionsvertragsentwurfs. Auf den Seiten 50 bis 53 sind unter „Gute Arbeit“ die arbeitsrechtlichen Themen zusammengefasst. Die wichtigsten Punkte sind leider unangenehm für die Arbeitgeberseite:

Erhebliche Einschränkung der Befristung von Arbeitsverhältnissen

Sehr zum Leidwesen der Arbeitgeberseite hat sich bei der Befristung von Arbeitsverhältnissen die SPD erheblich durchgesetzt und die bisherigen Regelungen werden „zur Abschaffung des Missbrauchs“ gravierend eingeschränkt:

  • Arbeitgeber mit mehr als 75 beschäftigten Arbeitnehmern dürfen maximal 2,5 Prozent der Belegschaft sachgrundlos befristen. In Zahlen ausgedrückt wären das bei z.B. 200 Beschäftigen lediglich 5 Arbeitnehmer. Bereits mit dieser Hürde ist die sachgrundlose Beschäftigung nahezu „tot“. Bei Überschreiten dieser Quote gilt jedes weitere sachgrundlos befristete Arbeitsverhältnis als unbefristet abgeschlossen. Eine solche Maximalquote gibt es derzeit nicht. Diese Neuregelung wird Arbeitgeber sehr schmerzen.
  • Die bisher maximale Dauer einer sachgrundlosen Befristung von zwei Jahren bei maximal 3 Verlängerungen innerhalb dieses Zeitraums (z.B. 4 mal 6 Monate) soll gemäß dem Entwurf des Koalitionsvertrags erheblich eingeschränkt werden. Zukünftig soll die maximale Dauer der sachgrundlosen Befristung nur noch 18 Monate betragen und es soll innerhalb dieser Maximaldauer nur noch eine Verlängerung (z.B. 2 mal 9 Monate) möglich sein.
  • Abschaffung der „Kettenbefristungen“. Befristungen (sachgrundlos und mit Sachgrund) sind nicht mehr zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein Arbeitsverhältnis mit einer Gesamtdauer von fünf oder mehr Jahren bestand. Auch eine solche maximale Befristungsdauer für Sachgrundbefristungen gab es bisher nicht im Gesetz. Für diese Höchstdauer von fünf Jahren zählen auch Tätigkeiten als Leiharbeitnehmer.
  • Positiv ist für die Arbeitgeberseite, dass wohl gesetzlich geregelt werden soll, dass die „Zuvor-Beschäftigung“, die derzeit heftig in der Rechtsprechung umstritten ist, mit drei Jahren festgelegt werden soll. Das bedeutet, dass ein Arbeitnehmer bei demselben Arbeitgeber nach Ablauf von drei Jahren wieder sachgrundlos befristet beschäftigt werden darf. Nach der derzeitigen gesetzlichen Regelung gibt es leine zeitliche Grenze und auch 30 Jahre zurückliegendes Arbeitsverhältnis stünde einer sachgrundlosen Befristung entgegen.



Recht auf befristete Teilzeit

Teilzeit konnte bisher nur unbefristet unter bestimmten Voraussetzungen verlangt werden. Es gab jedoch keinen Anspruch, automatisch nach einer bestimmten Dauer wieder Vollzeit zu arbeiten. Eine Ausnahme ist die Teilzeit während der Elternzeit. Der Entwurf des Koalitionsvertrags sieht - wie im Wahlprogramm der SPD enthalten - ein Recht auf befristete Teilzeit vor:

  • kein Anspruch auf Verlängerung oder Verkürzung der Arbeitszeit oder vorzeitiger Rückkehr zur früheren Arbeitszeit während der zeitlich begrenzten Teilzeitarbeit.
  • Recht auf befristete Teilzeit nur in Unternehmen mit mehr als 45 Arbeitnehmern.
  • In Unternehmen mit 46 bis 200 Arbeitnehmer wird eine „Zumutbarkeitsgrenze“ eingeführt. Zumutbar sei es nach dem Entwurf des Koalitionsvertrags, dass pro angefangene 15 Arbeitnehmer ein Anspruch auf befristete Teilzeit besteht. Bei einem Unternehmen mit 200 Arbeitnehmern hätten damit 14 Arbeitnehmer Anspruch auf befristete Teilzeit, aber es dürften nur 5 der 200 Arbeitnehmer sachgrundlos befristet beschäftigt werden (s.o.).
  • Der Arbeitgeber darf die befristete Teilzeit ablehnen, wenn sie ein Jahr unter- oder fünf Jahre überschreitet.



Erleichterung der Gründung und Wahl von Betriebsräten

Das vereinfachte Wahlverfahren (§ 14a BetrVG) soll zukünftig nicht nur für Betriebe mit in der Regel fünf bis 50, sondern fünf bis 100 wahlberechtigten Arbeitnehmer gelten. Zukünftig soll in Betrieben mit 101 bis 200 wahlberechtigten Arbeitnehmer (bisher 51 bis 100 wahlberechtigte Arbeitnehmer) zwischen dem vereinfachten und dem allgemeinen Wahlverfahren gewählt werden können.

Unternehmerische Mitbestimmung

Erfreulich für die Arbeitgeberseite ist, dass im Koalitionsvertrag keine Reduzierung der Schwellenwerte der Mitbestimmungsgesetze geregelt wurde. Dies hätte sonst zur Folge, dass bei einer Vielzahl der Unternehmen plötzlich mitbestimmte Aufsichtsräte zu bilden wären. Im Entwurf des Koalitionsvertrags ist jedoch enthalten, dass bei grenzüberschreitenden Sitzverlegungen von Deutschland ins Ausland das nationale Niveau der unternehmerischen Mitbestimmung gesichert werden sollen.

Arbeitszeitgesetz

Das Arbeitszeitgesetz ist zu starr für die heutige flexible Arbeitswelt. Eine Flexibilisierung für alle wäre begrüßenswert. Im Entwurf des Koalitionsvertrags ist vereinbart, dass „über eine Tariföffnungsklausel im Arbeitszeitgesetz Experimentierräume für tarifgebundene Unternehmen“ geschaffen werden sollen. Weiter ist geregelt, dass auf der Grundlage dieser Tarifverträge mit Betriebsvereinbarungen z.B. die Höchstarbeitszeit wöchentlich flexibler geregelt werden kann. Auch hier hat sich zum Leidwesen einiger Arbeitgeber die SPD wohl durchgesetzt, da nur Arbeitgeber an dieser Flexibilisierung teilnehmen können, die tarifgebunden sind und über einen Betriebsrat verfügen. Arbeitgeber werden damit – wie von der SPD gewollt – in Tarifverträge gedrängt.

Einschränkung der Arbeit auf Abruf

Die Arbeit auf Abruf wäre in vielen Fällen ein wichtiges Instrument, bei flexiblem Arbeitsanfall. Die Arbeit auf Abruf unterliegt bereits nach der jetzigen gesetzlichen Regelung (§ 12 TzBfG) strengen Voraussetzungen. Nach dem Entwurf des Koalitionsvertrags werden diese Voraussetzungen noch verstärkt. Es soll gesetzlich geregelt werden, dass die vereinbarte Arbeitszeit um höchstens 20 Prozent unterschritten und um höchstens 25 Prozent überschritten werden darf. Soweit keine wöchentliche Arbeitszeit vereinbart ist, soll eine Arbeitszeit von 20 Stunden (bisher 10 Stunden) vereinbart werden.

Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG)

Das AÜG ist erst 2017 erheblich zu Lasten der Arbeitgeberseite abgeändert worden. Beispielsweise wurde eine Höchstüberlassungsdauer von 18 Monaten eingeführt. Der Entwurf des Koalitionsvertrags sieht vor, dass bereits 2020 das AÜG evaluiert werden soll.

„Teilhabe am Arbeitsmarkt für alle“

Mit der „Teilhabe am Arbeitsmarkt für alle“ soll ein unbürokratisches Regelungsinstrument im SGB II geschaffen werden. Mit einer Aufstockung der finanziellen Mittel um EUR 4 Milliarden für den Zeitraum 2018 bis 2021 sollen bis zu 150.000 Menschen beteiligt werden.

Nationale Weiterbildungsstrategie

Die nationale Weiterbildungsstrategie soll u.a. folgendes enthalten:

  • Bündelung der Weiterbildungsprogramme des Bundes und der Länder,
  • Arbeitnehmer haben Recht auf Weiterbildungsberatung bei der Agentur für Arbeit,
  • Fokus auf digitale Weiterbildung,
  • Stärkung des Initiativrechts des Betriebsrats für die Weiterbildung.



Der Entwurf des Koalitionsvertrags ist nicht arbeitgeberfreundlich. Wie schon in der letzten Legislaturperiode werden die Arbeitgeber bei den anstehenden Gesetzesänderungen erhebliche Einschränkungen hinnehmen müssen. Die GroKo-Parteien scheinen vergessen zu haben, dass die Beschäftigungssituation in Deutschland nicht immer so gut sein kann, wie die letzten Jahre. Jetzt bleibt abzuwarten, ob der GroKo überhaupt zugestimmt wird.

Wenn Sie Fragen zu diesem Thema haben, wenden Sie sich bitte an Herrn Dr. Erik Schmid.

Hinweis: Dieser Blog-Beitrag ist bereits im arbeitsrechtlichen Blog von Dr. Erik Schmid im HJR-Verlag erschienen.

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