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Rote Karte für das Tarifeinheitsgesetz? – Oder nur gelb und Nachbesserung?

Karlsruhe/München, 10. Juli 2017 – Das Bundesverfassungsgericht entscheidet morgen, ob das sogenannte Tarifeinheitsgesetz gegen das Grundgesetz verstößt. Das Tarifeinheitsgesetz regelt, dass in einem Betrieb nur ein Tarifvertrag gelten darf, wobei der Tarifvertrag derjenigen Gewerkschaft Anwendung findet, die im Betrieb die meisten Mitglieder hat. Gegen das Gesetz hatten u.a. Berufsgruppen- und Branchengewerkschaften geklagt (1 BvR 1571/15 u.a.).

Vor Inkrafttreten des Gesetzes konnten auch kleinere (Sparten-) Gewerkschaften eigene Tarifverträge für einzelne Berufsgruppen abschließen. Dies war möglich geworden, da das Bundesarbeitsgericht im Jahr 2010 seine frühere Rechtsprechung, wonach in einem Betrieb nur ein Tarifvertrag gelten soll, aufgegeben hatte (Urteil vom 7. Juli 2010 - 4 AZR 549/08). Wer eigene Tarifverträge abschließen kann, darf aber auch zum Streik aufrufen. Streiken Berufsgruppen, denen besondere Bedeutung im Unternehmen und für die Infrastruktur im ganzen Land zukommt, können sie damit praktisch das Unternehmen und das gesamte Land lahmlegen, obwohl nur vergleichsweise wenige Arbeitnehmer streiken. Diese Rechtslage seit 2010 erhöhte nicht nur das Risiko und die Auswirkungen von Streiks, sondern sorgte auch für ein Konkurrenzverhältnis zwischen den Gewerkschaften, da in einem Betrieb mehrere Tarifverträge mit unterschiedlichen Regelungen anwendbar sein konnten. Dem setzte Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles mit dem Tarifeinheitsgesetz 2015 ein Ende. Dieses Gesetz will den vom Bundesarbeitsgericht aufgegebenen Grundsatz „Ein Betrieb – ein Tarifvertrag“ wiederherstellen. Kleinere Gewerkschaften sehen sich dadurch allerdings in ihrer „Koalitionsfreiheit“ gemäß Art. 9 Abs. 3 des Grundgesetzes verletzt und halten das Gesetz für verfassungswidrig.

„Der Richterspruch ist die wichtigste arbeitsrechtliche Entscheidung des Jahres", erläutert Markus Künzel, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner der internationalen Wirtschaftskanzlei BEITEN BURKHARDT. „Die Unternehmen werden nun Rechtsklarheit dazu erhalten, welche Tarifverträge in ihren Betrieben gelten“, führt der Anwalt weiter aus. Martin Fink, ebenfalls Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner von BEITEN BURKHARDT, ergänzt: „Sollte das Bundesverfassungsgericht das Gesetz kippen, wäre das eine Niederlage für die Bundesarbeitsministerin und die großen Gewerkschaften, die maßgeblichen Einfluss auf die Politik genommen hatten, um sich vor missliebiger Konkurrenz durch das Tarifeinheitsgesetz zu schützen.“ Zu den Auswirkungen für die Unternehmen meint der Anwalt: „Für Arbeitgeber wird es bei der komplexen Rechtslage mit zum Teil mehreren Tarifverträgen pro Betrieb bleiben, falls das Tarifeinheitsgesetz durch das Urteil für (teilweise) verfassungswidrig erklärt wird. Daneben gibt es aber auch Gestaltungsmöglichkeiten. Welche das Unternehmen wählt, muss es für seine Betriebe individuell und sorgfältig analysieren.“

Markus Künzel und Martin Fink sind Fachanwälte für Arbeitsrecht und Partner bei BEITEN BURKHARDT am Standort München. Gerne stehen sie für weitere Informationen, Statements und Gastbeiträge zur Verfügung.


Kontakt
Markus Künzel
Tel.: 089 35065-1131
E-Mail: Markus.Kuenzel@bblaw.com

Martin Fink
Tel.: 089 35065-1138
E-Mail: Martin.Fink@bblaw.com

Presse & Öffentlichkeitsarbeit Arbeitsrecht
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Tel.: 089 35065-1104 
Markus.Bauer@bblaw.com 

Bettina Kaltenbach
Tel: 089 35065-1142
Bettina.Kaltenbach@bblaw.com

 


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