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Veräußerung von Start-ups – redet die Kartellbehörde mit?

In vielen Fällen bedarf die Veräußerung eines Start-ups an einen Investor keiner vorherigen Anmeldung beim Bundeskartellamt oder anderen Kartellbehörden. Denn ob ein Unternehmenskauf anmeldepflichtig ist, hängt in den meisten Ländern von den Umsätzen des Erwerbers und des Zielunternehmens ab. Eine Anmeldepflicht beim deutschen Bundeskartellamt ist unwahrscheinlich, wenn der Gesamtumsatz des Zielunternehmens unter EUR 5 Mio. liegt. Anders ist dies jedoch, wenn das Zielunternehmen diesen Umsatz zwar nicht erreicht, das Transaktionsvolumen – d.h. in erster Linie der vereinbarte Kaufpreis – aber mindestens EUR 400 Mio. beträgt. Eine ähnliche transaktionsvolumenbezogene Auslösung der Zusammenschlusskontrolle gibt es in Österreich (hier liegt die Grenze bei EUR 200 Mio.). Im Kartellrecht anderer Länder kann eine Anmeldepflicht zudem unabhängig von den Umsätzen der beteiligten Unternehmen auch unter anderen Voraussetzungen ausgelöst werden: In Spanien und Portugal zum Beispiel reichen Marktanteile der beteiligten Unternehmen in einer bestimmten Höhe hierfür aus.

Ist der Unternehmenskauf erst einmal anmeldepflichtig, darf er nicht vollzogen werden, bevor die Freigabe der Kartellbehörde(n) vorliegt. Bei ihrer Prüfung untersucht die Kartellbehörde den Unternehmenskauf darauf, ob er geeignet ist, wirksamen Wettbewerb erheblich zu behindern. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn der Unternehmenskauf zur Entstehung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung des Erwerbs oder Zielunternehmens führt. Solche Fälle sind zwar insgesamt recht selten; liegt jedoch ein solcher Fall vor, wird der Zusammenschluss untersagt und darf nicht vollzogen werden.

Bei der kartellbehördlichen Prüfung der Veräußerung eines Start-ups spielt es in der Regel eine Rolle, ob der Erwerber und das Start-up schon aktuell im Wettbewerb zueinander stehen, ob das Start-up potentieller Wettbewerber des Erwerbers ist (und möglicherweise nur noch etwas Zeit braucht, bis es wirklich zum Wettbewerber wird) oder ob die beiden Unternehmen (auch künftig) nicht Wettbewerber sind. Je intensiver das Wettbewerbsverhältnis zwischen Erwerber und Start-up ist bzw. je wahrscheinlicher es ist, dass das Start-up ein heranwachsender Wettbewerber des Erwerbers ist, desto genauer wird die Prüfung der Kartellbehörde ausfallen. Hat der Erwerber bereits eine sehr starke Marktposition und wäre das Start-up schon aktuell oder voraussichtlich innerhalb der nächsten drei Jahre in der Lage, dem Erwerber Wettbewerb zu machen, kommt eine Untersagung in Frage. Ein „Aufkauf" des von dem Start-up ausgehenden Wettbewerbs durch den Erwerber kann nämlich eine marktbeherrschende Stellung verstärken oder – wenn das Start-up schon aktueller Wettbewerber ist und dem Erwerber den entscheidenden „Marktmachtschub" gibt – entstehen lassen.

Die EU-Kommission hat bei verschiedenen Gelegenheiten darauf hingewiesen, dass Start-ups als Innovationsfaktor einen besonderen wettbewerblichen Wert haben. Ihre Innovationskraft kann zum einen die Marktposition eines Erwerbers verstärken. Fällt die Innovationskraft des Start-ups nach der Übernahme als eigenständige wettbewerbliche Kraft am Markt aus, kann dies zudem den Anreiz für den Erwerber und andere Wettbewerber verringern, ihre Innovationsanstrengungen selbst zu steigern. Dies kann den Wettbewerb zu Lasten der Verbraucher dämpfen.

Fazit

Die Veräußerung von Start-ups wird in vielen Fällen keiner kartellrechtlichen Anmeldepflicht unterliegen. Wenn das Start-up sich bereits mit größeren Umsätzen am Markt etabliert hat oder der Transaktionswert besonders hoch ist, kann aber eine Anmeldepflicht in Deutschland und/oder im Ausland entstehen. Wird eine Anmeldung erforderlich, so können die besonderen wettbewerblichen Eigenschaften von Start-ups, insbesondere ihre Innovationskraft, zu einer besonders genauen Prüfung des Unternehmenskaufs durch die Kartellbehörde(n) führen.

Jan Christian Eggers
(Rechtsanwalt, LL.M.)