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Steuerabzugsverpflichtung auch bei Einräumung eines umfassenden Nutzungsrechts an einem urheberrechtlich geschützten Werk (total buyout agreement)

Sachverhalt

Der Bundesfinanzhof (BFH) hatte in zwei Fällen eines sog. "total buyouts" darüber zu entscheiden, ob die vertraglich vereinbarte Übertragung von Rechten an einem urheberrechtlich geschützten Werk gegen eine Pauschalvergütung steuerlich als Veräußerung der Rechte anzuerkennen ist, so dass die Steuerabzugsverpflichtung für zeitlich befristete Überlassungen von Rechten im Sinne des § 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG vermieden wird.

Im ersten Fall hatte eine deutsche GmbH mit einer in Großbritannien ansässigen Limited und zwei Autoren einen Vertrag geschlossen, welcher ihr unwiderruflich das ausschließliche, inhaltlich, zeitlich wie auch räumlich nicht beschränkte Recht zur weltweiten Verwertung des Werkes zugestand. Im Vertrag wurden Rücktritt, Kündigung oder ähnliche Formen der Rückabwicklung ausdrücklich ausgeschlossen. Konsequenter Weise wurde als Entgelt eine Pauschalvergütung vereinbart (BFH-Urteil vom 24.10.2018 – I R 69/16).

Im zweiten Fall hatte eine deutsche GmbH mit einem in Australien ansässigen Produzenten einen Vertrag über die Überlassung von Rechten für auf Australien bezogene Produktionen, Reportschalten und Reporterleistungen geschlossen. Der Produzent verpflichtete sich im Wege des "total buyouts" sämtliche urheberrechtlichen Nutzungs- und Leistungsschutzrechte und sonstigen Rechte inhaltlich, zeitlich und örtlich uneingeschränkt gegen ein pauschales Entgelt auf die GmbH zu übertragen (BFH-Urteil vom 24.10.2018 – I R 83/16).

In beiden Fällen war die Anwendung deutschen Rechts vereinbart.

Der I. Senat des BFH lehnte in beiden Fällen basierend auf den Wertungen des deutschen Urheberrechts die steuerliche Bewertung des "total buyouts" als Veräußerung ab.

Hintergrund

Bei beschränkt Steuerpflichtigen wird die Einkommensteuer in bestimmten Fällen im Wege eines Quellensteuerabzuges erhoben, so u.a. bei Einkünften aus Vergütungen für die Überlassung von Rechten, die in ein inländisches öffentliches Buch oder Register eingetragen sind oder in einer inländischen Betriebsstätte verwertet werden. Die Steuer entsteht in dem Zeitpunkt, in welchem dem Gläubiger die Vergütung zufließt und ist vom Vergütungsschuldner für Rechnung des Gläubigers bei Zahlung einzubehalten. Der Vergütungsschuldner hat die Quellensteuer an das Finanzamt abzuführen und dem Gläubiger eine Bescheinigung über die einbehaltene Quellensteuer zu erteilen. Der Gläubiger kann die (vollständige oder teilweise) Erstattung der Quellensteuer erreichen, wenn das deutsche Besteuerungsrecht z.B. aufgrund eines Doppelbesteuerungsabkommens oder der EU-Zins- und Lizenzrichtlinie beschränkt ist.

Strittig war, ob die Pauschalvergütungen im Falle des vertraglich vereinbarten "total buyout" als Vergütung für Überlassung von Rechten oder als Vergütung für die Veräußerung von Rechten gezahlt wurden, da Vergütungen für die Veräußerung von Rechten nicht dem Quellensteuerabzug unterliegen.

Urteilsgründe

Nach Auffassung des BFH liegt eine Veräußerung eines Rechts nur dann vor, wenn das Nutzungsrecht dem durch den Vertrag Berechtigten mit Gewissheit endgültig verbleibt, ein Rückfall kraft Vertrags nicht in Betracht kommt (siehe BFH vom 01.12.1982, I B 11/82, BStBl. II 1983, 367; BFH vom 27.02.1976, III R 64/74, BStBl. II 175) oder sich ein Recht während der Nutzung wirtschaftlich verbraucht (siehe BFH vom 16.05.2001, I R 64/99, BStBl. II 2003, 641).

Zur Prüfung dieser Ausnahmen stützt sich der BFH auf die Vorgaben des deutschen Urheberrechts, da die Vertragsparteien die Anwendung deutschen Rechts vereinbart haben.

Das Urheberrecht umfasst nach deutscher Rechtslage urheberpersönlichkeitsrechtliche und verwertungsrechtliche Aspekte und schützt den Urheber in seinen geistigen und persönlichen Beziehungen zum Werk und in der Nutzung des Werkes. Zu den Verwertungsrechten gehören u.a. das Vervielfältigungsrecht, das Recht auf öffentliche Zugänglichmachung und Verbreitung, das Sendungsrecht und das Zweitverwertungsrecht. Urheberpersönlichkeitsrechte umfassen u.a. das Veröffentlichungsrecht, das Recht auf Entstellungsschutz und Rückrufrechte. Verwertungs- und Urheberpersönlichkeitsrechte sind als solche nicht auf Dritte übertragbar. Sie sind aber lizensierbar im Wege der Überlassung von Nutzungsrechten.

Das deutsche Urhebergesetz bestimmt, dass die Weiterübertragung von Nutzungsrechten und die Einräumung weiterer Nutzungsrechte durch den Lizenznehmer der Zustimmung des Urhebers bedürfen. Weiterhin hat der Urheber einen Anspruch auf eine angemessene Vergütung, die auch einen nachträglichen Fairness-Ausgleich umfassen und auf die der Urheber nicht im Voraus verzichtet werden kann. Die letztgenannte Regelung beinhaltet einen Anspruch auf Vertragsänderung, wenn eine sog. Äquivalenzstörung vorliegt, also Leistung und Gegenleistung in auffälligem Missverhältnis stehen.

Neben dem Rückrufrecht als Urheberpersönlichkeitsrecht führt insbesondere der Anspruch auf nachträglichen Fairness-Ausgleich nach Auffassung des BFH dazu, dass trotz "total buyout" das Recht am urheberrechtlich geschützten Werk nicht vollständig übertragen wird. Das gesetzlich fortbestehende Urheberrecht bestimmt insofern den Inhalt des vertraglich vereinbarten Nutzungsrechts und grenzt die Nutzungsüberlassung vom (rechtlichen oder wirtschaftlichen) Rechteverkauf ab. Abweichend von den Wertungen für die Bilanzierung von Nutzungsrechten ist zudem laut BFH aufgrund des Wortlautes des § 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG nicht zwischen einem Nutzungsrecht und einem "Stammrecht" zu unterscheiden.

Der BFH orientiert sich somit streng an den Vorgaben des deutschen Urheberrechts und kommt in beiden Urteilen zu dem Ergebnis, dass eine Steuerabzugsverpflichtung auch dann besteht, wenn der beschränkt steuerpflichtige Vergütungsgläubiger dem Vergütungsschuldner ein umfassendes Nutzungsrecht an einem urheberrechtlich geschützten Werk i.S. eines "total buyout" gegen eine einmalige Pauschalvergütung einräumt.

Fazit

Die Entscheidungen des BFH sind zum "total buyout" von Rechten auf urheberrechtlich geschützte Werke ergangen und beruhen auf Besonderheiten des deutschen Urheber- und Verlagsrechts. Verträge über technische Schutzrechte und Know-How sind hiervon nicht berührt.

Für die Praxis sind die Entscheidungen dennoch von hoher Wichtigkeit. Werden Rechte an urheberrechtlich geschützten Werken im Wege eines "total buyout" übertragen, ist der Vergütungsschuldner zum Steuerabzug gem. § 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG verpflichtet. Dies gilt unabhängig davon, ob die Vergütung als Pauschalvergütung oder als laufende Gebühr vereinbart wird. Verletzt der Vergütungsschuldner seine Quellensteuereinbehaltungspflicht, haftet er für nicht einbehaltene und abgeführte Steuern. Sowohl ausländische Urheber als auch deutsche Vergütungsschuldner sind gut beraten, ihre steuerlichen Verhältnisse im Hinblick auf diese Urteile auch für die Vergangenheit zu überprüfen. Tatsächlich sind Verfahren bekannt geworden, bei denen wegen nicht abgeführter Quellensteuern Straf- bzw. Bußgeldverfahren gegen Vergütungsschuldner eingeleitet wurden. Ausländische Urheber sollten zugleich prüfen, ob die Voraussetzungen für die Erstattung oder Minderung der Quellensteuern vorliegen und zur Vermeidung der Festsetzungsverjährung ggf. einen Antrag beim Bundeszentralamt für Steuern vorbereiten. Ist eine Erstattung oder Minderung der Quellensteuer aufgrund der bestehenden Vertragslage nicht möglich, kann erwogen werden, ob diese durch eine Anpassung der Lizenzstruktur erreichbar sind.

Die Regelungen zum nachträglichen Fairness-Ausgleich sind nach deutschem Urheberrecht grundsätzlich auch in internationalen Fällen anwendbar. Im Einzelfall kann jedoch geprüft werden, ob die Vereinbarung der Anwendung eines anderen ausländischen Rechts ausreicht, um einen Rechteverkauf auch steuerlich als solchen zu behandeln.

Die ergangenen Urteile bestätigen die Notwendigkeit, bei Vertragsverhandlungen über immaterielle Werte in jedem Fall die Quellensteuereinbehaltungspflicht zu berücksichtigen.

Fragen dazu beantwortet Ihnen Birgit Faßbender gerne.

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