BLOG -


Neuerungen im Aktienrecht: Der Referentenentwurf zum Gesetz zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie (ARUG II-RefE)

Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz veröffentlichte am 11. Oktober 2018 den Referentenentwurf zum Gesetz zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie (ARUG II). Hintergrund des Gesetzesentwurfs ist die Richtlinie (EU) 2017/828 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2007/36/EG im Hinblick auf die Förderung der langfristigen Mitwirkung der Aktionäre. Die Umsetzung der Richtlinie in deutsches Recht hat bis zum 10. Juni 2019 zu erfolgen.

Ziel des Änderungsgesetzes ist die Verbesserung der Mitwirkungsrechte der Aktionäre bei börsennotierten Gesellschaften sowie die Erleichterung der grenzüberschreitenden Information und Ausübung von Aktionärsrechten. Wesentliche Neuerungen finden sich maßgeblich bei der Identifikation von Aktionären (I.), der Transparenz institutioneller Anleger (II.), den Geschäften der Gesellschaft mit nahestehenden Unternehmen oder Personen (III.) sowie der Vergütungspolitik der Unternehmensleitung (IV.). Abschließend wird darauf eingegangen, ab wann die Regelungen voraussichtlich gelten werden (V.).

I. Bessere Identifikation von Aktionären („Know-Your-Stakeholder“)

Der Referentenentwurf betrifft Regelungen zur vereinfachten Identifizierung und Information der Aktionäre. Durch eine einfachere Mitwirkung der Aktionäre soll insbesondere die Kommunikation und der Informationsfluss zwischen den börsennotierten Gesellschaften und ihren Aktionären – auch über die mitunter langen Ketten von Intermediären (z.B. Kreditinstitute, Depotbanken) – gewährleistet werden.

Mit der Neuerung des § 67d AktG-E werden beispielsweise eine Reihe von Pflichten der Intermediäre zur Erteilung, Übermittlung und Weiterleitung von Informationen über die Identität der Aktionäre gegenüber der börsennotierten Gesellschaft eingeführt. Nicht börsennotierten Gesellschaften bleibt es weiterhin freigestellt, ob sie die vorgenannten Informationspflichten in ihre Satzungen aufnehmen möchten. Der Informationsanspruch dient der Umsetzung des gemäß EU-Richtlinie (Art. 3a Abs. 1 Satz 1) künftig geltenden know-your-shareholder-Prinzips. Kannte das geltende deutsche Recht für Namensaktien schon bislang vergleichbare Regelungen (vgl. § 67 Abs. 1 Satz 2 sowie Abs. 4 AktG), stellt dieser Informationsanspruch für Inhaberaktien eine Neuerung dar.

II. Transparenzpflichten der institutionellen Anleger

Ein weiteres Ziel der Richtlinie ist eine stärkere Ausrichtung der Tätigkeit der institutionellen Anleger, Vermögensverwalter und Stimmrechtsberater an den Interessen der Anleger. Dazu werden im Aktiengesetz verschiedenste Transparenz- und Offenbarungspflichten bezüglich ihres Anlageverhaltens und Geschäftsmodells, ihres Umgangs mit Interessenkonflikten sowie der Zusammenarbeit mit anderen Aktionären verankert. Diese Informationen sind darüber hinaus öffentlich zugänglich zu machen.

Institutionelle Anleger und Vermögensverwalter sollen künftig nach § 134b Abs. 1 bis 3 AktG-E u.a. eine Mitwirkungspolitik veröffentlichen und jährlich über deren Umsetzung berichten. Die Mitwirkungspolitik soll u.a. Angaben betreffend die Einflussnahme auf Portfoliogesellschaften, den Meinungsaustausch mit Organen bzw. Interessenträgern der Gesellschaft, die Ausübung von Aktionärsrechten und den Umgang mit Interessenskonflikten enthalten.

Dabei soll dem Grundsatz „comply and explain“ gefolgt werden. Institutionelle Anleger und Vermögensverwalter, die sich teilweise oder vollständig gegen die Befolgung der vorgenannten Vorgaben entscheiden, müssen eine Erklärung mit den Gründen dafür abgeben ("comply or explain"), § 134b Abs. 4 AktG-E. Weiter ist künftig jährlich gemäß § 134d Abs. 1 AktG-E zu erklären, ob den Vorgaben eines Verhaltenskodex entsprochen wurde sowie weche Vorgaben nicht eingehalten und welche Maßnahmen stattdesssen getroffen wurden. Wer keinen Verhaltenskodex einhält, muss erklären, warum dies nicht getan wird.

Von praktischer Bedeutung ist außerdem § 134d Abs. 4 AktG-E, der Stimmrechtsberater verpflichtet, ihre Kunden unverzüglich über Interessenkonflikte sowie über diesbezügliche Gegenmaßnahmen zu informieren. Solche Interessenkonflikte können z.B. dann vorliegen, wenn Stimmrechtsberater gleichzeitig auch börsennotierte Gesellschaften zu Corporate-Governance-Fragen beraten.

III. Mitspracherecht der Aktionäre bei Geschäften der Gesellschaft mit nahestehenden Unternehmen oder Personen („Related-Party-Transactions“)

Ein weiteres Kernelement des Referentenentwurfs ist die Mitsprache bei Geschäften der Gesellschaft mit ihr nahestehenden Unternehmen oder Personen. Dadurch soll eine erhöhte Transparenz gewährleistet und freie Vermögensabflüsse zugunsten nahestehender Unternehmen oder Personen verhindert werden.

Der Referentenentwurf sieht dazu vor, dass wesentliche Geschäfte künftig einem Zustimmungsvorbehalt des Aufsichtsrats unterliegen. Als wesentlich sind dabei Geschäfte anzusehen, deren wirtschaftlicher Wert mindestens 2,5% des Aktivvermögens des zuletzt festgestellten Jahresabschlusses der Gesellschaft umfasst. Damit soll sichergestellt werden, dass die wesentlichen Geschäfte unabhängig von den Interessen nahestehender Unternehmen oder Personen erfolgen. Nicht als Geschäfte mit nahestehenden Personen sollen unabhängig von ihrem Wert solche Geschäfte gelten, die im ordentlichen Geschäftsgang und zu marktüblichen Bedingungen getätigt werden (§ 111a Abs. 2 Satz 1 AktG-E). Die Gesellschaft muss ein internes Kontrollverfahren einrichten, um die Erfüllung der vorgenannten Voraussetzungen zu bewerten.

Zusätzlich ist der Abschluss wesentlicher Geschäfte öffentlich bekannt zu machen. Die Veröffentlichung hat unmittelbar bei Abschluss des Vertrags zu erfolgen und zielt auf die schnelle und verlässliche Information der Aktionäre ab.

IV. Mitspracherechte der Aktionäre bei der Vergütung von Vorstand und Aufsichtsrat („Say-on-Pay“)

Die größte politische Bedeutung des ARUG II-RefE haben die Neuerungen im Bereich der Vergütung der Unternehmensleitung (d.h. Vorstand und Aufsichtsrat) börsennotierter Gesellschaften. Die stärkere Einbeziehung der Aktionäre soll durch ein Votum der Hauptversammlung über die Vergütungspolitik für die Unternehmensleitung und über eine Abstimmung der Hauptversammlung über den zu publizierenden Vergütungsbericht sichergestellt werden. EU-Richtlinie und Referentenentwurf sehen dabei keine zwingenden materiellen Vorgaben für die inhaltliche Gestaltung der Vergütung, sondern lediglich Anforderungen hinsichtlich Transparenz und Verfahren der Festlegung der Vergütung vor.

1. Votum der Hauptversammlung zur Vergütungspolitik (§ 87a AktG-E)

Um die Mitspracherechte der Aktionäre bei der Vergütungspolitik der Unternehmensleitung („say-on-pay“) zu verbessern, wird durch den neuen § 87a AktG-E ein sogenannter beratender Beschluss der Hauptversammlung (§§ 120a Abs. 1 AktG-E, 113 AktG) eingeführt. Dieser Beschluss muss künftig zwingend bei jeder wesentlichen Änderung, mindestens jedoch alle vier Jahre erfolgen. Das „say on pay“ ist damit zukünftig nicht mehr nur fakultativ, sondern obligatorisch vorzunehmen.

Der Referentententwurf nimmt dabei von der durch die EU-Richtlinie eröffneten Möglichkeit Gebrauch, dass das Votum der Hauptversammlung nur empfehlenden (und nicht verbindlichen) Charakter haben soll. Dies wird auf die Überlegung gestützt, dass eine verbindliche Entscheidung der Hauptversammlung über die Vergütungspolitik die Vergütungskompetenz des Aufsichtsrats erheblich schwächen würde; ein nur beratendes Votum füge sich daher besser in das deutsche Aktienrecht und Corporate Governance-System ein.

Zielsetzung des § 87a AktG-E ist die Stärkung der Aktionäre durch eine Erhöhung des Kontrolleinflusses bei gleichzeitiger Beibehaltung der starken Stellung des Aufsichtsrats. Die stärkere Einbeziehung der Aktionäre soll unverhältnismäßig hohen Vorstandsvergütungen entgegenwirken, ohne dabei die Kompetenz des Aufsichtsrates zur verbindlichen Festsetzung der Vorstandsvergütung zu tangieren.

Der Beschluss der Hauptversammlung über die Vergütungspolitik ist gemäß § 120a Abs. 1 Satz 2 und 3 AktG-E nicht anfechtbar, bei einer Ablehnung ist allerdings eine erneute Vorlage gemäß § 120a Abs. 3 AktG-E erforderlich.

2. Abstimmung der Hauptversammlung über den Vergütungsbericht (§ 162 AktG-E)

Gemäß § 162 AktG-E müssen Vorstand und Aufsichtsrat börsennotierter Aktiengesellschaften einen detaillierten Bericht über die im vorangegangenen Geschäftsjahr gewährten oder auch nur geschuldeten Zahlungen an ehemalige und gegenwärtige Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats erstellen.

Der Bericht ist individualisiert, also mit namentlicher Nennung ohne die Möglichkeit eines „Opt-Out“, zu fassen und jährlich in allgemein verständlicher Form zu veröffentlichen. Inhaltlich sind alle festen und variablen Vergütungsbestandteile aufzuführen. Darüber hinaus ist darzulegen, inwieweit die genannten Personen der Vergütungspolitik entsprochen haben. Weiterhin ist eine vergeichende Darstellung zur durchschnittlichen Vergütung von Arbeitnehmer („Manager to Worker Pay Ratio“) bezogen auf die letzten fünf Geschäftsjahre auszuweisen. Dabei ist ebenfalls darzulegen, inwieweit von der Möglichkeit zur Rückforderung variabler Vergütung („Clawbacks“) Gebrauch gemacht wurde.

Erstmalige Geltung der Regelungen

Der Referentenentwurf enthält in Art. 2 verschiedene Übergangsregelungen. So greift die obligatorische Beschlussfassung der Hauptversammlung über die Vergütungspolitik für Vorstand und Aufsichtsrat erstmals für eine Hauptversammlung, die vier Monate nach dem Inkrafttreten des Umsetzungsgesetzes stattfindet (im Falle eines Inkrafttretens im Juni 2019 damit erstmals für Hauptversammlungen ab November 2019). Entsprechendes gilt für bestimmte Aspekte des neuen Vergütungsberichts. Die Regelungen zur Aktionärsidentifikation und den Austausch mit den Aktionären finden erstmals auf Hauptversammlungen Anwendung, die im Jahr nach dem Inkrafttreten des Gesetzes stattfinden (voraussichtlich also auf Hauptversammlungen im Jahr 2020).

Fazit

Die zweite Aktionärsrechterichtlinie bringt eine ganze Anzahl von Neuerungen für das deutsche Aktienrecht speziell im Hinblick auf Vergütung, related party transactions sowie Aktionärsidentifikation und -information mit sich. Dabei versucht der Gesetzgeber mit dem ARUG II die Vorgaben der Richtlinie in den existierenden Rechtsrahmen einzupassen. Durch erhöhte Transparenz bezüglich Vergütung und related party transactions kommt es zu einer deutlichen Stärkung des deutschen Corporate-Governance-Rahmens und auch die Zustimmungspflicht des Aufsichtsrats zu related party transactions ist eine interessante Neuerung im Zusammenspiel der Organe der Aktiengesellschaft.

Sie haben Fragen zu diesem Thema? Oliver Köster, LL.M.

hilft Ihnen gerne weiter.

TAGS

Corporate Aktienrecht Transparenz- und Offenbarungspflicht Related-Party-Transactions