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Inverkehrbringen von persönlicher Schutzausrüstung wie (Atem)Schutzmasken im Zuge der Corona-Krise

Im Zuge der Ausbreitung der Krankheit COVID-19, verursacht durch das Virus SARS-CoV-2, besteht derzeit eine hohe Nachfrage insbesondere für Produkte wie (Atem)Schutzmasken. Dabei stellt sich die Frage, ob solche Produkte ohne weiteres auf dem Markt angeboten werden können. Insbesondere bei Schutzmasken ist eine Abgrenzung vorzunehmen, denn nicht alle in Betracht kommenden Masken unterfallen aus rechtlicher Sicht den gleichen Bestimmungen und können als Schutzmasken in den Verkehr gebracht werden. Zum einen können Masken als Medizinprodukt im Sinne des Medizinproduktegesetzes eingestuft werden. Als Medizinprodukt sind die Produkte nur verkehrsfähig, wenn sie insbesondere ein Konformitätsbewertungsverfahren durchlaufen haben und die CE-Kennzeichnung führen. In diesem Zusammenhang verweisen wir auf unseren Beitrag vom 1. April 2020 Erleichterung des Inverkehrbringens von Medizinprodukten im Zuge der Corona-Krise. Weiterhin können Masken als persönliche Schutzausrüstung (PSA) klassifiziert werden. PSA unterliegen der Verordnung (EU) 2016/425 des europäischen Parlaments und des Rates über persönliche Schutzausrüstungen (PSA-Verordnung), welche die Anforderungen an das technische Design, die Herstellung und den Verkauf bestimmt. Als dritte Option können Masken als gewöhnliche Masken auf den Markt gebracht werden, solange sie keine Schutzwirkung, insbesondere keinen Gesundheitsschutz suggerieren und vom Hersteller nicht einem medizinischen Zweck gewidmet werden. Aufgrund der aktuellen Lage besteht aber vor allem Bedarf an Masken, die zumindest einen gewissen Gesundheitsschutz gewährleisten. Die Einstufung des Produkts als PSA würde eine entsprechende Schutzwirkung sicherstellen.

1. Verkehrsfähigkeit von PSA

Als PSA sind Produkte verkehrsfähig, wenn die durch Gesetz vorgeschriebenen Voraussetzungen erfüllt sind. Die Voraussetzungen für das Inverkehrbringen von PSA sind in der PSA-Verordnung und dem PSA-Durchführungsgesetz (PSA-DG) geregelt. Die PSA-Verordnung ist in Deutschland unmittelbar anwendbar. Danach bedarf es insbesondere einer CE-Kennzeichnung auf dem Produkt, um dieses auf den Markt bringen zu können. Voraussetzung für die Vornahme der CE-Kennzeichnung ist gemäß Artikel 8 Abs. 2 i. V. m. Artikel 19 PSA-Verordnung die Durchführung des vorgeschriebenen Konformitätsbewertungsverfahrens. Dabei werden gemäß Art. 19 PSA-Verordnung drei Kategorien unterschieden. Das Konformitätsbewertungsverfahren wird bei PSA der Kategorie I durch den Hersteller selbst und bei PSA der Kategorien II und III durch notifizierte Stellen durchgeführt. Dementsprechend hat ein PSA-Produkt für die Verkehrsfähigkeit ähnliche Hürden zu nehmen, wie es bei Medizinprodukten der Fall ist.

2. Empfehlung der Europäischen Kommission

Nunmehr hat die Europäische Kommission (EU-Kommission) mit ihrer Empfehlung (EU)2020/403 vom 13. März 2020

Maßnahmen vorgestellt, um die Verfahren zum Vertrieb von Medizinprodukten und PSA zu beschleunigen und zu vereinfachen. Gemäß der Empfehlung sollen Medizinprodukte und PSA insbesondere auch ohne CE-Kennzeichnung auf den Markt gebracht werden können. Für PSA schlägt die EU-Kommission vor, dass die zuständigen Marktüberwachungsbehörden die PSA-Produkte bewerten. Werden die Produkte für konform mit den grundlegenden Gesundheitsschutz- und Sicherheitsbestimmungen der einschlägigen Vorschriften befunden, sollen die Marktüberwachungsbehörden Maßnahmen ergreifen, um die entsprechenden Produkte in einem begrenzten Zeitraum oder während des noch laufenden Konformitätsbewertungsverfahrens in Verkehr bringen zu können. Jedoch ist sicherzustellen, dass Produkte ohne CE-Kennzeichnung nur medizinischen Fachkräften und nur für die Dauer der derzeitigen Gesundheitsbedrohung zur Verfügung gestellt werden. Weiterhin empfiehlt die EU-Kommission, dass die notifizierten Stellen die Konformitätsbewertung neu eingereichter Anträge für PSA, die für den Schutz im Zusammenhang mit dem Ausbruch von COVID-19 notwendig sind, vorrangig behandeln und zügig durchführen. In diesem Zusammenhang hat die EU-Kommission neben den bisher harmonisierten Normen bestimmt, dass die Empfehlungen der WHO als Referenz für andere technische Lösungen herangezogen werden können, sofern ein angemessenes Schutzniveau garantiert wird. Akzeptieren notifizierte Stellen andere technische Lösungen als die harmonisierten Normen, sollen sie unverzüglich die notifizierende Behörde und andere notifizierte Stellen über diese Möglichkeit in Kenntnis setzen.

3. Umsetzung der Empfehlung

Eine Empfehlung der EU-Kommission ist gemäß Art. 288 AEUV aber nicht verbindlich. Anders als bei den Medizinprodukten, bei denen gemäß § 11 Abs. 1 MPG Sonderzulassungen ohne Durchführung des Konformitätsbewertungsverfahrens erteilt werden können, gibt es weder im deutschen Recht noch in der PSA-Verordnung eine vergleichbare Regelung. Vielmehr kann das Inverkehrbringen von PSA ohne Durchführung eines Konformitätsbewertungsverfahrens oder ohne CE-Kennzeichnung mit einem Bußgeld geahndet werden, vgl. § 8 PSA-DG.

Die Durchführung des Konformitätsbewertungsverfahrens kann erleichtert bzw. beschleunigt werden. Gemäß Art. 14 PSA-Verordnung werden bei PSA-Produkten, die mit harmonisierten Normen oder Teilen davon übereinstimmen, eine Konformität mit den grundlegenden Gesundheitsschutz- und Sicherheitsanforderungen vermutet. Diese gesetzliche widerlegliche Vermutung kürzt das Konformitätsbewertungsverfahren ab, sodass ein zügiger Marktzugang ermöglicht werden kann. Die EU-Kommission scheint zudem bemüht zu sein, weitere harmonisierte Normen zu schaffen, auf die dann im Bewertungsverfahren bezuggenommen werden kann.

4. Schutzmasken ohne CE-Kennzeichnung

Ein beschleunigtes Bewertungsverfahren allein dürfte nicht ausreichen, um das medizinische Fachpersonal mit ausreichend Schutzmasken ausstatten zu können. In ihrer Empfehlung vom 13. März 2020 schlägt die EU-Kommission daher vor, Schutzmasken auch ohne CE-Kennzeichnung durch die zuständigen Behörden organisiert

zu beschaffen, sofern sichergestellt ist, dass diese Produkte nur medizinischen Fachkräften zur Verfügung gestellt werden und auch nur für die Dauer der derzeitigen Gesundheitsbedrohung. Zudem müssen sie ein adäquates Gesundheits- und Sicherheitsniveau gewährleisten. Insbesondere sollen die Schutzmasken nicht in die normalen Vertriebskanäle gelangen. Im Zuge dessen hat die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA“) am 18. März 2020 die Empfehlung ausgesprochen, für Beschäftigte im medizinischen und pflegerischen Bereich Masken einzusetzen, die mindestens dem NIOSH-Standard N95 entsprechen. Somit gelten Schutzmasken, die in den USA, Kanada, Australien und Japan verkehrsfähig wären, auch in Deutschland als verkehrsfähig, selbst wenn keine CE-Kennzeichnung vorliegt.

Sollte auch danach eine Verkehrsfähigkeit nicht gegeben sein, ist laut BAuA im Einzelfall durch eine notifizierte Stelle zu überprüfen, ob die Masken dem EU-Schutzstandard entsprechen. Die DEKRA Testing and Certification GmbH (DEKRA) und das Institut für Arbeitsschutz (IFA) haben in diesem Zusammenhang bereits einen Prüfungsgrundsatz entwickelt, der innerhalb weniger Tage ein Ergebnis ermöglicht, ob die jeweiligen Produkte ein adäquates Gesundheits- und Sicherheitsniveau gewährleisten. Hier spricht vieles dafür, dass nach Durchführung dieses Prüfungsgrundsatzes die Produkte als Schutzmasken gemäß der Kommissionsempfehlung verwendet werden können. Die DEKRA weist aber selbst darauf hin, dass die nach ihrem Prüfungsgrundsatz geprüften Masken keine PSA gemäß der PSA-Verordnung sind. Den entwickelten Prüfgrundsatz begründet sie jedoch mit der Empfehlung der EU-Kommission.

5. Fazit

Um der hohen Nachfrage nach Schutzausrüstung zu begegnen, werden sowohl auf EU-Ebene als auch auf nationaler Ebene entsprechende Maßnahmen ergriffen. Vor dem Hintergrund, dass Empfehlungen der EU-Kommission nicht verbindlich sind, ist aus Gründen der Rechtssicherheit zu hinterfragen, wie zum Beispiel Masken ohne CE-Kennzeichnung und ohne Durchführung des Konformitätsbewertungsverfahrens als Schutzmasken auf den Markt gebracht werden können. Dies dürfte auch im Hinblick auf die Ordnungswidrigkeitsvorschrift in § 8 PSA-DG von Bedeutung sein, wobei die tatsächliche Verfolgung einer etwaigen Ordnungswidrigkeit gemäß § 47 Abs. 1 OWiG im Ermessen der Verfolgungsbehörde steht. Aufgrund der aktuellen Änderung des Infektionsschutzgesetzes in § 5 Abs. 2 Nr. 4 ist es naheliegend, dass das Bundesministerium für Gesundheit kurzfristig durch entsprechende Rechtsverordnungen Rechtsgrundlagen schafft, um den Empfehlungen der EU-Kommission im Hinblick auf Produkte wie Schutzmasken nachkommen zu können. In diesem Zusammenhang könnten auch weitere Rechtsakte auf EU-Ebene für mehr Rechtssicherheit sorgen.

Dr. Silke Dulle

Robert Schmid



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