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Konzeptbewertung erfordert manchmal, aber nicht immer, eine konkrete Gewichtung der Unterkriterien

Der Umgang mit und die Bewertung von Angebotskonzepten beschäftigt öffentliche Auftraggeber, Vergabekammern und -senate seit Langem immer wieder – so auch das Oberlandesgericht Celle in gleich zwei aktuellen Fällen. Das Gericht setzt sich mit der Differenzierung zwischen Mindestanforderungen an den Angebotsinhalt und Unterkriterien in der Zuschlagswertung auseinander (und bestätigt zugleich, dass Unterkriterien regelmäßig gewichtet werden müssen).

Gewichtungspflichtige Unterkriterien bei abschließend vorgegebenem Konzeptinhalt

In der ersten Entscheidung des OLG Celle zum Thema (Beschluss vom 2. Februar 2021, Az. 13 Verg 48/20) hatte der öffentliche Auftraggeber die Abholung und Beförderung von Briefpostsendungen bis 1.000 Gramm ausgeschrieben. Die Zuschlagskriterien „Preis“ und „Konzept“ waren mit jeweils 50 Prozent gewichtet. Grundlage für das Konzept sollten die der funktionalen Leistungsbeschreibung und den Verträgen zu entnehmenden Anforderungen sein. Die im Konzept zu erläuternden und als abschließend bezeichneten zehn Aspekte legte der Auftraggeber im Voraus fest. Die Bieter waren aufgefordert zu beschreiben, inwieweit sie die jeweiligen Prozessschritte unter möglichst umweltschonenden Bedingungen erbringen wollten. Eine Gewichtung der Unterkriterien enthielten die Vergabeunterlagen nicht. Je besser die Anforderungen erfüllt wurden, desto höher sollte die Bewertung ausfallen. Maßstab für die Konzeptbewertung war ein schulnotenähnliches System.

Nach erfolgloser Rüge stellte einer der Bieter einen Nachprüfungsantrag und begründete diesen mit der Intransparenz der bekannt gemachten Zuschlagskriterien. Sie ermöglichten eine willkürliche Zuschlagsentscheidung und ließen eine wirksame Überprüfung der von den Bietern getätigten Angaben nicht zu. Die Vergabekammer hielt die beabsichtigte Vorgehensweise zur Konzeptbewertung für intransparent und verpflichtete den Auftraggeber daraufhin, die Auftragsvergabe erneut bekannt zu machen. Die Vergabekammer ging davon aus, die im Konzept zu erläuternden Aspekte seien Unterkriterien und hätten einer entsprechenden Gewichtung bedurft.

Auf die sofortige Beschwerde des Auftraggebers bestätigt das OLG Celle, dass die fehlende Gewichtung der Unterkriterien vergaberechtsfehlerhaft war. Das Gericht hält die Bewerbungsbedingungen insoweit für intransparent, als zu dem mit 50 Prozent gewichteten Zuschlagskriterium „Realisierungskonzept“ zwar zehn gesonderte Unterkriterien mitgeteilt wurden, nicht aber deren Gewichtung angegeben wurde. Damit verstößt der Auftraggeber gegen § 127 Abs. 5 GWB, wonach Zuschlagskriterien und deren Gewichtung grundsätzlich in der Auftragsbekanntmachung oder in den Vergabeunterlagen aufgeführt werden müssen. Dies gilt für Zuschlagskriterien und Unterkriterien gleichermaßen. Jeder Bieter soll sich angemessen über die Kriterien und Modalitäten unterrichten können, die zum wirtschaftlich günstigsten Angebot führen. Hier ist hingegen für die Bieter nicht erkennbar, auf welche Punkte innerhalb des Konzepts der Auftraggeber mehr oder weniger Wert legt als auf andere. Deshalb können die Bieter nicht abwägen, ob es aussichtsreicher ist, sich unter Inkaufnahme von „Abzügen“ bei weniger wichtigen Punkten auf einzelne besonders wichtige Punkte zu konzentrieren oder alle Punkte gleichermaßen, aber nicht optimal, zu bedienen.

Der Einwand des Auftraggebers, bei den zehn aufgeführten Aspekten handele es sich nicht um Unterkriterien, verfängt nicht. Unterkriterien sind Kriterien, die der Ausfüllung und näheren Bestimmung eines Hauptkriteriums dienen und präziser darstellen, worauf es dem Auftraggeber ankommt. So liegt es aus Sicht des Gerichts hier, da der Auftraggeber die Aufzählung der zehn Aspekte mit dem Hinweis eingeleitet hatte, er werde im Rahmen der Konzeptwertung diese als abschließend zu verstehenden Aspekte beurteilen.

Offener Ideenwettbewerb mit bloßen inhaltlichen Mindestanforderungen

In der zweiten Entscheidung des OLG Celle zum Thema (Beschluss vom 25. März 2021, 13 Verg 1/21) ging es ebenfalls um die Vergabe von Postdienstleistungen und die Bewertung eines von den Bietern vorzulegenden Realisierungskonzepts, das aus Logistikkonzept und Personaleinsatzkonzept bestehen sollte. Maßstab für die Konzeptbewertung war auch hier ein schulnotenähnliches System. Sowohl bei der Beschreibung der Anforderungen an das Logistikkonzept als auch an das Personaleinsatzkonzept hatte der Auftraggeber in Spiegelstrichen Themen genannt, auf die die Bieter eingehen sollten. Dass es sich hierbei um abschließende Anforderungen handelte, legte der Auftraggeber hingegen nicht fest.

Einer der Bieter rügte, dass Angaben zur Gewichtung von Logistikkonzept und Personaleinsatzkonzept sowie Wertungskriterien zur Ermittlung des "besten" Konzepts fehlten. Sein Nachprüfungsantrag blieb erfolglos.

Auch das OLG Celle sieht hier – anders als im obigen Fall – keinen Verstoß gegen § 127 Abs. 5 GWB. Unterkriterien zum Zuschlagskriterium „Realisierungskonzept“ sind nach seiner Ansicht nur die Kriterien „Logistikkonzept“ und „Personaleinsatzkonzept“, die ausdrücklich als Unterkriterien benannt und mit Gewichtungen versehen waren. Sowohl für die beiden Hauptkriterien „Preis“ und „Konzeptqualität“ als auch für die Unterkriterien „Logistikkonzept“ und „Personaleinsatzkonzept“ hatte der Auftraggeber die maximal erreichbare Punktzahl genannt. Die zu beiden Unterkriterien näher genannten Inhalte sind dagegen lediglich thematische Mindestanforderungen an die Konzepte. Sie sind ausdrücklich nicht abschließend; den Bietern wird lediglich mitgeteilt, auf welche Themen sie mindestens eingehen müssen. Das Gericht sieht den Auftraggeber auch nicht verpflichtet, weitere Kriterien, anhand derer das beste Konzept ermittelt werden sollte, in die Vergabeunterlagen aufzunehmen. Aus den Vergabeunterlagen ergibt sich hinreichend, worauf es dem Auftraggeber ankommt. Das Gericht erinnert daran, dass Sinn eines Ideenwettbewerbs gerade die Entwicklung von Konzepten sei. Die Angabe weiterer Kriterien, anhand derer die Qualität der Konzepte bemessen werden soll, würde darauf hinauslaufen, den Bietern direkt oder mittelbar Lösungskomponenten vorzugeben.

Bewertung und Praxistipp

Konzeptbewertungen als Zuschlagskriterium ermöglichen dem Auftraggeber, von den Bietern Fachwissen und eigene Ideen für die optimale Erbringung der ausgeschriebenen Leistung zu erfragen. Ein Dilemma entsteht oftmals, weil den Bietern aus Transparenzgründen im Vorfeld mitgeteilt werden muss, wie die Konzepte im Einzelnen bewertet werden sollen und auf welche Aspekte es ankommt. Der Entwicklung sachdienlicher Bieterideen wäre es aber nicht zuträglich, wenn der Auftraggeber im Voraus bereits jedes letzte Detail der anhand von Unterkriterien erfolgenden Wertung bekannt machen müsste und damit den Bietern Raum für die Erarbeitung neuer Ideen verschließen würde. Die Rechtsprechung erkennt an (und das OLG Celle bestätigt dies), dass der öffentliche Auftraggeber ein solches detailliertes Wertungssystem nicht festlegen muss, die Angebotswertung gleichzeitig aber nur anhand diskriminierungsfreier und hinreichend konkreter Wertungsmaßstäbe vornehmen darf. Der Auftraggeber muss daher im Voraus die Wertungsmaßstäbe so bestimmt aufstellen, dass die Bieter über die Kriterien und Modalitäten der Wertung informiert sind. Dabei gibt es keine festen Richtlinien für die Bestimmtheit. Es ist vielmehr im Einzelfall zu prüfen, wie ein verständiger Bieter die Bewertungsmaßstäbe verstehen würde. Insbesondere zu achten ist auf eine Differenzierung zwischen Unterkriterien und Mindestanforderungen. Während Unterkriterien der Ausfüllung und näheren Bestimmung eines Hauptkriteriums dienen und dieses präziser darstellen, worauf es dem Auftraggeber ankommt, legen Mindestanforderungen lediglich fest, auf welche Themen Bieter im Angebot mindestens eingehen müssen. Will der Auftraggeber, dass die Bieter bestimmte abschließende Aspekte im Konzept bearbeiten, ist zu beachten, dass diese Aspekte grundsätzlich Unterkriterien darstellen und gewichtet werden müssen. Möglich ist auch, alle Unterkriterien gleich zu gewichten. Jedenfalls muss der Auftraggeber in den Vergabeunterlagen klarstellen, wie die Unterkriterien gewichtet werden.

Auftraggeber sollten daher mit Vorsicht auf dem schmalen Grat zwischen der Festlegung bestimmter Wertungsmaßstäbe und der Eröffnung eines freien Raumes für Bieterideen wandern, um einerseits Vergaberechtsverstöße zu vermeiden und andererseits die Bieter nicht durch die indirekte Vorgabe von Lösungskomponenten einzuengen. Möchten Auftraggeber bestimmte Konzeptinhalte in den Vergabeunterlagen fordern, sollten sie im Vorfeld die Frage beantworten, ob damit Unterkriterien festgelegt oder lediglich Mindestinhalte vorgegeben werden sollen. Die getroffene Entscheidung sollte in den einzelnen Formulierungen sorgfältig und präzise abgebildet werden. Bei Zweifeln können Auftraggeber auf Nummer sicher gehen, indem sie ihre Forderungen zum Konzeptinhalt als Unterkriterien behandeln und mit Gewichtung in die Vergabeunterlagen aufnehmen. Der Gefahr von Intransparenz können Auftraggeber entgegenwirken, indem der Wertungsprozess eingehend, unter Aufnahme aller maßgeblichen Erwägungen, dokumentiert wird. Die Dokumentation muss derart erfolgen, dass nachvollziehbar ist, welche konkreten qualitativen Eigenschaften der Angebote mit welcher Gewichtung in die Benotung eingeflossen sind.

Jan Christian Eggers

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Vergaberecht Konzeptbewertung Unterkriterien OLG Celle