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Gesellschaftsrecht: Corporate Venturing als Innovationshebel für mittelständische Unternehmen

Um ausgetretene Pfade zu verlassen und neue Konzepte und Produkte zu entwickeln, fehlt es F&E-Abteilungen und den Innovation Centers in Unternehmen aufgrund althergebrachter, interner Konzernstrukturen, Silodenken und Ressourcenbegrenzungen oftmals an der notwendigen Flexibilität. Ein besonders vielversprechender Weg für große und mittelständische Unternehmen ist in diesem Zusammenhang die Zusammenarbeit mit Start-ups, die nachfolgend – unabhängig von der konkreten Ausgestaltung – als Corporate Venturing (CV) bezeichnet wird.

Das große Potenzial des CV wird leider regelmäßig weder von großen noch von mittelständischen Unternehmen ausgeschöpft. Nach unserer Erfahrung stehen in den allermeisten Fällen hinter dieser versäumten Chance Fehler in der Kommunikation und zwar sowohl innerhalb des Unternehmens als auch gegenüber den jeweiligen Start-ups. Hinzu kommt, dass die gewählte Form der Kooperation oft nicht zu den Zielen der jeweiligen CV-Strategie passt.

„Technology is key“ und „Lebe Deinen Traum“

Klassisch für eine fehlerhafte interne Kommunikation ist, dass monetäre Motive bei der CV-Strategie im Vordergrund stehen. Natürlich gibt es für ein Unternehmen deutlich risikoärmere und erfolgversprechendere Anlageformen als die Investition in Start-ups. Wichtig ist daher, die Ziele der CV-Strategie von vornherein klar zu definieren: Beim CV muss es, neben dem Investment und einer möglichen Rendite im Fall einer Beteiligungsstrategie, vor allem immer auch um Know-how-Transfer und insbesondere um das „Window on Technology" gehen.

Darüber hinaus ist es unerlässlich, dass eine wie auch immer geartete Innovationsstrategie grundsätzlich bei der Unternehmensleitung ansetzt und diese mit gutem Beispiel vorangeht. Kein Mitarbeiter wird von oben „verordnete“ Innovationskraft an den Tag legen. Vielmehr müssen Management und Unternehmenseigentümer als Erste die eigenen Prozesse verändern und gleichzeitig den Mitarbeitern den notwendigen Raum geben, um neue Wege zu beschreiten. Die Kooperation mit Start-ups kann hier insoweit hilfreich sein, als über deren agile Arbeitsweise regelmäßig auch die eigenen Prozesse optimiert werden können.

Corporate Venturing ist nicht gleich Projektmanagement

Hinsichtlich der Kommunikation gegenüber den Start-ups zeigt sich oft, dass die Kooperation innerhalb des Unternehmens fälschlicherweise als Projektmanagementaufgabe begriffen wird. Zwar ist es wichtig, mit den Start-ups Ziele und Meilensteine zu vereinbaren, um einen groben gemeinsamen Fahrplan zu haben. Zu enge Vorgaben und fehlende Unabhängigkeit führen jedoch häufig zu einer Beschneidung der Kreativität und Ideenvielfalt der Start-ups. Dieser Balanceakt erfordert gegenseitiges Verständnis für die jeweils andere Arbeitsweise und Unternehmenskultur und kann nur durch eine klare CV-Strategie, offene Kommunikation, eine ehrliche Klärung und regelmäßige Prüfung der gegenseitigen Erwartungshaltung sowie durch einen intensiven Austausch bewältigt werden.

Passende Kooperationsform

Sind die Ziele der CV-Strategie erst definiert, ist im nächsten Schritt die passende Kooperationsform zu ermitteln. Dabei kann es, neben der schlichten (Minderheits-)Beteiligung durch die Bereitstellung von Wagniskapital für ein Unternehmen, auch zielversprechend sein, die Gründer (ggf. zusätzlich) mittels eines unternehmenseigenen Frühphasen-„Brutkastens“ (Inkubator) oder eines Innovation Centers bei Aufbau und Entwicklung ihres Start-ups von Beginn an zu unterstützen. Weiter kann im Rahmen eines zeitlich begrenzten, intensiven Acceleratorprogramms die Entwicklung von Start-ups bzw. deren Produkte zur Marktreife „beschleunigt“ werden. Inkubatoren und Acceleratorprogramme haben nach unserer Erfahrung den Vorteil, dass die Kommunikation zwischen Unternehmen und Start-up gefördert und dadurch nicht zuletzt die Erfolgschance einer Geschäftsidee erhöht wird.

Fazit

Eine pauschale Empfehlung über die Ausgestaltung der Zusammenarbeit kann es nicht geben; zu groß sind die branchen- und unternehmensspezifischen Unterschiede. Das Fehlen eines „Patentrezeptes" bedeutet jedoch nicht, dass sich mittelständische Unternehmen auf vermeintlich etablierten Geschäftsmodellen und Konzepten ausruhen sollten. Die Zusammenarbeit mit Start-ups kann hier ein wichtiger Katalysator sein. Entscheidend für eine erfolgreiche CV-Strategie sind vor allem zwei Faktoren:

1. Man muss sich über die Ziele klar werden, welche man bei der Investition in ein Star-tup verfolgt und daran die Ausgestaltung der Zusammenarbeit auszurichten.

2. Unternehmensleitung und Eigentümer des mittelständischen Unternehmens müssen von der Notwendigkeit der Innovation und der geplanten Umsetzungsstrategie überzeugt sein und dies auch kommunizieren und vorleben. Nur so kann Silodenken aufgebrochen und moderne Prozesse und Methoden sowie innovative Produkte im Unternehmen etabliert werden. Denn es gilt der alte Spruch: „Der Fisch stinkt vom Kopf her“.

Dr. Gesine von der Groeben
Rechtsanwältin

Christian Kalusa
Rechtsanwalt