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Entgelttransparenz für freie Mitarbeiter?

Bundesarbeitsgericht vom 25. Juni 2020 – 8 AZR 145/19

Freie Mitarbeiter können Arbeitnehmer im Sinne des Entgelttransparenzgesetzes (EntgTranspG) sein und einen Auskunftsanspruch hinsichtlich der Kriterien und des Verfahrens zur Entgeltfindung haben.

Sachverhalt

Die freie Mitarbeiterin ist aufgrund eines unbefristeten Vertrages bei einer Fernsehanstalt des öffentlichen Rechts als Redakteurin tätig. Im Jahr 2018 verlangte sie vom Personalrat der Fernsehanstalt Auskunft nach dem EntgTranspG, nachdem sie erfahren hatte, dass ihre männlichen Kollegen, sowohl Angestellte als auch freie Mitarbeiter, eine höhere Vergütung erhielten. Der Personalrat lehnte die Auskunft mit der Begründung ab, dass die Mitarbeiterin keine Arbeitnehmerin sei und das EntgTranspG daher keine Anwendung finde. Die freie Mitarbeiterin erhob daraufhin Klage.

Entscheidung

Nachdem die Vorinstanzen die Klage abgewiesen hatten, sprach das BAG der freien Mitarbeiterin einen Auskunftsanspruch zu. Sie sei zwar keine Arbeitnehmerin nach innerstaatlichem Recht. Im Rahmen des EntgTranspG müsse jedoch der Begriff Arbeitnehmer im Lichte der Richtlinie 2006/54/EG unionsrechtskonform weit ausgelegt werden, sodass im Einzelfall auch arbeitnehmerähnliche Personen erfasst seien. Die freie Mitarbeiterin sei aufgrund ihrer wirtschaftlichen Abhängigkeit von der Fernsehanstalt eine arbeitnehmerähnliche Person und falle als solche unter den unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff und damit unter den Anwendungsbereich des EntgTranspG.

Konsequenzen für die Praxis

Nach dem EntgTranspG haben Arbeitnehmer in Betrieben mit in der Regel mehr als 200 Beschäftigten einen Auskunftsanspruch zur Überprüfung des Entgeltgleichheitsgebots. Sie können verlangen, über Kriterien und Verfahren zur Entgeltfindung sowie über die Höhe des Entgelts einer vergleichbaren Tätigkeit informiert zu werden. Hiermit sollen Arbeitnehmer überprüfen können, ob sie aufgrund ihres Geschlechts bei der Vergütung benachteiligt werden. Das BAG stellt nun klar, dass diesem Gesetz der weite unionsrechtliche Arbeitnehmerbegriff zugrunde gelegt werden muss. Dadurch können auch arbeitnehmerähnliche Personen unter den Anwendungsbereich des Gesetzes fallen, also insbesondere Selbstständige, die zwar nicht weisungsabhängig, aber wirtschaftlich von ihrem Auftraggeber abhängig sind.

Praxistipp

Grundsätzlich gilt: Die Höhe der Vergütung ist Verhandlungssache. Es besteht keine Verpflichtung des Arbeitgebers, freie Mitarbeiter und Angestellte für gleichwertige Tätigkeiten gleich zu vergüten. Der Arbeitgeber ist auch grundsätzlich frei in der Gestaltung von Vergütungsmodellen. Führt ein Vergütungsmodell jedoch dazu, dass Mitarbeiter eines Geschlechts im Durchschnitt geringer vergütet werden, so kann dies ein Indiz für eine Benachteiligung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) darstellen und Schadensersatzansprüche auslösen. Das EntgTranspG ermöglicht es Arbeitnehmern (und im Einzelfall auch freien Mitarbeitern), in größeren Betrieben Entgeltunterschiede zwischen den Geschlechtern zu prüfen und Ansprüche nach dem AGG durchzusetzen. Auch mittelbare Benachteiligungen können zu Schadensersatzsprüchen nach dem AGG führen. So kann z.B. ein Vergütungsmodell, das einen geringeren Stundenlohn für Teilzeitbeschäftigte vorsieht, die hiervon vermehrt betroffenen Frauen mittelbar benachteiligen. Arbeitgeber sollten daher bei der Gestaltung von Vergütungsmodellen genau darauf achten, kein Geschlecht zu benachteiligen – auch nicht mittelbar.

Martina Dierks

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Arbeitsrecht Entgelttransparenz freie Mitarbeiter Vergütung