BLOG -


Energierecht: Neue Chancen im Energiemarkt der Zukunft?

Die Energiewende schreitet voran. Die erneuerbaren Energien sind mit über 30 Prozent an der Bruttostromerzeugung bereits die wichtigste Stromquelle Deutschlands. Deutschland hat sich auch für die Zukunft ehrgeizige Ziele gesetzt. So soll der Anteil der erneuerbaren Energien auf 40 bis 45 Prozent bis zum Jahr 2025, auf 55 bis 60 Prozent bis zum Jahr 2035 sowie auf mindestens 80 Prozent bis zum Jahr 2050 ansteigen. Die Stromerzeugung mit erneuerbaren Energien ist – mit Ausnahme von Biomasse und Geothermie – volatil, d. h. sie schwankt. Nur wenn die Sonne scheint und der Wind weht, wird Strom produziert. Es drängt sich nahezu auf, dass einer solchen fluktuierenden Erzeugung die Speicherung von Strom gegenübergestellt werden muss.

Gleichzeitig erlebt der Ausbau von sog. Heimspeichern – also kleinen Stromspeichern für das eigene Haus – einen Boom. Treiber hierfür ist u. a., dass die Kosten für die Erzeugung von Strom mit Photovoltaik in den letzten Jahren extrem gesunken sind. Es ist heute günstiger, Strom per Photovoltaik selbst zu produzieren und zu verbrauchen, als ihn aus dem Netz zu beziehen. Durch den Einsatz von Stromspeichern kann ein höherer Anteil des in einer Photovoltaik-Anlage erzeugten Stroms selbst verbraucht werden. So kann mittags, wenn niemand zu Hause ist, in den Stromspeicher eingespeichert und der eingespeicherte Strom abends verbraucht werden.

Schließlich kommt der Ausbau der Elektromobilität hinzu. Dies wird fast zwangsläufig dazu führen, dass sich die Preise für die Herstellung von Batterien weiter rasant verbilligen werden. Mittelfristig werden außerdem Millionen von Elektroautos im Schnitt 23 Stunden am Tag unbewegt herumstehen – und mit ihnen ihre großen Batterien.

Es stehen sich demnach ein wachsender Bedarf für die Speicherung volatiler erneuerbarer Energien und ein Ausbau von Stromspeichern aus davon unabhängigen Gründen gegenüber. Was läge näher, als beides zusammenzuführen.

Teilweise wird dies bereits versucht. So werden Heimspeicher in sog. Schwärmen zusammengefasst, um den Netzbetreibern mit einem virtuellen Großspeicher eine sog. Regelleistung anbieten zu können. Dies bedeutet, dass der virtuelle Großspeicher Strom aus dem Netz entnehmen bzw. einspeisen kann, wenn dies z. B. wegen zu viel Windstrom im Netz nötig wird.

Bei der Umsetzung entsprechender Geschäftsmodelle stellen sich aber einige juristische Herausforderungen. Im Kern liegt dies daran, dass das Gesetz einen Speicher sowohl als Verbraucher – im Moment der Einspeisung – als auch als Erzeuger – im Moment der Ausspeisung – betrachtet. Die EEG-Umlage, die Netzentgelte und auch die Stromsteuer müssen aber auf den Verbrauch von Energie entrichtet werden. Dies bedeutet, dass Speicher im Grundsatz zweimal mit Umlagen und Steuern belastet werden. Das Problem wurde erkannt und es gibt inzwischen teilweise Ausnahmen von diesem Grundsatz. Diese finden sich aber in einer Vielzahl von Gesetzen und an unterschiedlichen Stellen. Zudem passen die Voraussetzungen der Ausnahmevorschriften teilweise nicht zusammen und es ist umstritten, welche Ausnahmen tatsächlich gelten. Auch sind, um in den Genuss von Ausnahmevorschriften zu kommen, teilweise erhebliche Anforderungen an Messung und Dokumentation zu erfüllen und umfassende Meldepflichten einzuhalten. Zudem ist große Vorsicht bei der vertraglichen Ausgestaltung geboten.

Dies bedeutet, dass die Umsetzung neuer Geschäftsmodelle im Bereich von Batteriespeichern unter Geltung der derzeitigen Gesetzeslage vor erheblichen Herausforderungen steht. Diese sind aus unserer Erfahrung teilweise schwerwiegender als die technischen Herausforderungen. Sie sollten möglichst frühzeitig und umfassend durchdacht werden.

Hoffnung auf Besserung macht der Koalitionsvertrag, mit den folgenden Aussagen:

„Wir werden die unterschiedliche Belastung von gespeicherter Energie prüfen und vereinheitlichen. Wir werden Speichern die Möglichkeit eröffnen, mehrere Dienstleistungen gleichzeitig zu erbringen, etwa Regelenergie und Mieterstrom.“

Es bleibt abzuwarten, inwieweit sich diese Grundsätze in den tatsächlichen Regelungen wiederfinden werden und ob es gelingt, innovative Geschäftsmodelle in der Speicherung von Strom zu ermöglichen. Wir bleiben dran.

Dr. Sebastian Rohrer
(Rechtsanwalt)