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"Drum prüfe wer sich ewig bindet!" - Die Probezeit im Arbeitsverhältnis

Arbeitgeber und insbesondere Start-ups, die kein Geld und keine Zeit zu verschenken haben, sollten die Probezeit im Arbeitsverhältnis gut nutzen. Die Zeit auf Probe dient dazu etwas zu testen, bevor ein Zustand verfestigt wird. Beispielsweise wird der Wein im Restaurant auch probiert, bevor er getrunken wird, das Auto Probe gefahren, bevor es gekauft wird und der Partner getestet, bevor er geheiratet wird und so sollte auch der neue Arbeitnehmer in der Anfangsphase erprobt werden. Dabei wird die "Probezeit“ im Arbeitsverhältnis umgangssprachlich anders verstanden, als sie gesetzlich geregelt ist.

Die Probezeit als verkürzte Kündigungsfrist

Die Probezeit – wie sie vom Gesetz verstanden wird – ist in § 622 Abs. 3 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) geregelt:

"Während einer vereinbarten Probezeit, längstens für die Dauer von sechs Monaten, kann das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von zwei Wochen gekündigt werden.“

Wenn eine "Probezeit“ im Arbeitsvertrag im Sinne des § 622 Abs. 3 BGB vereinbart wird, ist ausschließlich eine Regelung über die Kündigungsfrist während der Probezeit gemeint. Mit der Vereinbarung einer Probezeit beträgt die Kündigungsfrist für die Dauer der Probezeit einheitlich zwei Wochen. Es gilt auch nicht – wie sonst üblich – eine Kündigung nur zu einem bestimmten Beendigungstermin (Monatsende, Quartalsende, Jahresende). Eine ausdrückliche Vereinbarung der kurzen Kündigungsfrist ist nicht erforderlich. Längere Kündigungsfristen während der Probezeit können vereinbart werden. Die "Probezeit“, wie sie kraft Gesetz verstanden wird, meint damit ausschließlich die kurze zweiwöchige Kündigungsfrist maximal während der ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses. Für Start-ups ist eine kurze Kündigungsfrist mit einem Ablauf der Frist zu jedem Zeitpunkt sinnvoll, da Arbeitnehmer, die nicht ins Team passen oder die keine Leistung bringen, nicht unnötig lange "mitgeschleppt" und bezahlt werden müssen.

Die Probezeit als Wartefrist

Die Probezeit – wie sie umgangssprachlich verstanden wird – ist in § 1 Abs. 1 KSchG (Kündigungsschutzgesetz) geregelt:

"Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.“

Während der ersten sechs Monate eines Arbeitsverhältnisses sind Kündigungen – ohne dass es einer ausdrücklichen Regelung im Arbeitsvertrag bedarf – ohne Kündigungsgrund im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes zulässig. Kündigungen während der ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses dürfen jedoch nicht schikanös, willkürlich oder diskriminierend sein. Während der Wartezeit gemäß § 1 Abs. 1 KSchG sind aber Kündigungen zulässig, wenn es einfach "nicht passt".

Verzicht auf die "Probezeit" bedeutet Verzicht auf die kurze Kündigungsfrist

Wenn der Arbeitsvertrag eines Start-ups eine Klausel enthält, wie "es wird keine Probezeit vereinbart", ist mit dieser Regelung kein Verzicht auf die sechsmonatige Wartezeit zum Eingreifen des allgemeinen Kündigungsschutzes nach § 1 Abs. 1 KSchG vereinbart. Es ist nur eine Klarstellung, dass keine Probezeit im Sinne des § 622 Abs. 3 BGB vereinbart wurde und damit keine kürzeren Kündigungsfristen gelten. Kündigungen sind damit dennoch in den ersten sechs Monaten ohne Kündigungsgrund zulässig (LAG Baden-Württemberg vom 18.06.2019 - 15 Sa 4/19).

TIPP: Kündigung kann auch am letzten Tag der "Probezeit" zugehen.

Es existiert ein Gerücht, dass eine Probezeitkündigung nur zulässig ist, wenn die Kündigungsfrist innerhalb der Probezeit endet. Beispiel: Beginn eines Arbeitsverhältnisses am 01. Januar 2020 und damit Ablauf der Wartefrist am 30. Juni 2020. Nach diesem Gerücht müsste die Probezeitkündigung mit Zwei-Wochen-Kündigungsfrist spätestens am 16. Juni 2020 dem Arbeitnehmer zugehen. Das Gerücht ist falsch. Es reicht aus, wenn die Probezeitkündigung am letzten Tag der "Probezeit" oder Wartefrist dem Arbeitnehmer zugeht. Im Beispiel also am 30. Juni 2020, das Arbeitsverhältnis würde dann am 14. Juli 2020 enden.

Verlängerung der Probezeit

Im Zusammenhang mit der Probezeit wird auch von Start-ups immer wieder die Frage nach der Verlängerung der Probezeit im Arbeitsverhältnis gestellt. Mit dieser Frage ist jedoch nicht gemeint, dass für eine längere Dauer als sechs Monate die kürzeren Kündigungsfristen nach § 622 Abs. 3 BGB vereinbart werden sollen, sondern dass das Kündigungsschutzgesetz für eine längere Dauer als sechs Monate nicht greifen soll.

Wenn der Arbeitgeber merkt, dass die Zusammenarbeit mit einem Arbeitnehmer nicht passt oder der Arbeitnehmer die Anforderungen nicht erfüllt, unsympathisch ist oder nicht zum Team passt, sollte "in der Probezeit" gekündigt werden. Dies gilt insbesondere in kleineren Einheiten, wie bei Start-ups. Sechs Monate ist an sich ein langer Zeitraum, um Arbeitnehmer "auszuprobieren". Wir haben oft die Erfahrung gemacht, dass ein Arbeitnehmer, der sich innerhalb von sechs Monaten nicht beweisen konnte, es auch danach nicht schafft. Dennoch erleben wir es in der Praxis immer wieder, dass Arbeitgeber und Start-ups nach einer Verlängerungsmöglichkeit der Probezeit fragen. Eine Verlängerung der Probezeit im Sinne einer Verlängerung der Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG zur Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes oder im Sinne des § 622 Abs. 3 BGB zur Verlängerung der Anwendbarkeit der kurzen Kündigungsfrist, ist unzulässig. Dennoch gibt es eine von der Rechtsprechung als zulässig anerkannte Möglichkeit der "Probezeitverlängerung".

Sachgrundlose Befristung und Sachgrundbefristung

Wenn der Arbeitgeber kurz vor Ablauf der sechsmonatigen Probezeit unsicher ist, ob er mit dem Arbeitnehmer weiterhin zusammenarbeiten möchte oder nicht, kann das Arbeitsverhältnis bzw. die Probezeit nicht durch eine sachgrundlose Befristung im Sinne des § 14 Abs. 2 TzBfG (Teilzeit- und Befristungsgesetz) verlängert werden. Die sachgrundlose Befristung setzt voraus, dass mit demselben Arbeitgeber zuvor kein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestand. Diese Voraussetzung läge nicht vor, da während der bisherigen Probezeit ja ein Arbeitsverhältnis bestand.

Zulässig ist immer eine Sachgrundbefristung. In der Praxis ist es jedoch schwer für eine "Verlängerung" der Probezeit einen Sachgrund im Sinne des § 14 Abs. 1 TzBfG (z.B. Vertretung eines anderen Arbeitnehmers, Befristung, die auf einem gerichtlichen Vergleich beruht) zu finden.

Lösungsmöglichkeit

Während der Probezeit gelten regelmäßig kurze Kündigungsfristen. Die Rechtsprechung billigt im Ergebnis die "Probezeitverlängerung", indem in zulässiger Weise die Kündigung des Arbeitsverhältnisses oder die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Auflösungsvertrag während der Probezeit nicht mit der kurzen, sondern mit einer länger bemessenen Kündigungsfrist erfolgen darf, um den Arbeitnehmer weiter zu erproben. Damit wird die Probezeit faktisch verlängert und das Kündigungsschutzgesetz wird "ausgetrickst". Die Kündigung oder Beendigung durch Aufhebungsvertrag wird während der Probezeit und damit im Zeitpunkt, in dem das Kündigungsschutzgesetz nicht anwendbar ist, ausgesprochen bzw. abgeschlossen. Das Arbeitsverhältnis endet aber, wenn das Kündigungsschutzgesetz schon anwendbar ist. Für eine zulässige "Probezeitverlängerung" sind folgende Voraussetzungen einzuhalten:

  • keine signifikante Verlängerung der regelmäßig kurzen Kündigungsfrist von zwei Wochen während der Probezeit, drei bis vier Monate Kündigungsfrist sind wohl eine angemessene Dauer;
  • der Arbeitnehmer ist während der Probezeit über die Nicht-Bewährung sowie über die weitere Bewährungschance zu informieren;
  • die "Probezeitverlängerung" darf nicht allein oder überwiegend im Interesse des Arbeitgebers erfolgen (z.B. zur Überbrückung eines Personalengpasses);
  • der Arbeitnehmer muss die Chance zur Wiedereinstellung haben (Wiedereinstellungszusage);
  • im Falle eines Aufhebungsvertrags müssen typische Elemente, wie Freistellung, Zeugnis, Abfindung oder Rückgabe von Firmeneigentum, geregelt sein.

Unter Berücksichtigung dieser Kriterien darf ein Arbeitgeber, der die Probezeit als nicht bestanden ansieht, anstelle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der kurzen Probezeitkündigungsfrist von in der Regel zwei Wochen dem Arbeitnehmer eine Bewährungschance geben, wenn er nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) mit einer überschaubaren, längeren Kündigungsfrist kündigt oder einen Aufhebungsvertrag abschließt und dem Arbeitnehmer für den Fall seiner Bewährung die Wiedereinstellung zusagt.

Beendigungsinstrumente Kündigung, Aufhebungs- oder Abwicklungsvertrag

Als Instrument zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses während der Probezeit mit längerer Frist zur weiteren Erprobung kann in zulässiger Weise die Arbeitgeberkündigung, der Aufhebungsvertrag oder der Abwicklungsvertrag genutzt werden. Es ist darauf zu achten, dass alle Formalitäten eingehalten werden, beispielsweise bei der Kündigung die Schriftform und die etwaige vorherige Betriebsratsanhörung.

Maximale Verlängerungsdauer der Probezeit

In der Rechtsprechung ist nicht ganz eindeutig, um welche Frist die Probezeit verlängert werden darf. Es soll ein angemessenes Verhältnis zwischen der vertraglichen bzw. gesetzlichen oder tarifvertraglichen Kündigungsfrist in der Probezeit, dies sind oftmals nur zwei Wochen, und der Verlängerung herangezogen werden. Einigkeit besteht, dass in keinem Fall die längste mögliche einschlägige Kündigungsfrist überschritten werden darf. Nach § 622 BGB ist die längste Kündigungsfrist sieben Monate. In verschiedenen Entscheidungen der Landesarbeitsgerichte wird jedenfalls eine Verlängerung der Probezeit durch eine Kündigungsfrist von drei oder vier Monaten als zulässig angesehen.

Information des Arbeitnehmers

Um eine unzulässige sachgrundlose Befristung auszuschließen, ist die Information des Arbeitnehmers erforderlich, dass er sich in der Probezeit nicht bewährt hat und auch, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Chance gibt, sich bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu bewähren. Zudem hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer in Aussicht zu stellen, dass er, wenn er die Bewährungschance nutzt, wieder eingestellt wird. Wenigstens die Schlagworte "weitere Bewährungschance" und "Wiedereinstellung in Aussicht stellen" sollten in der Kündigungserklärung oder in dem Abwicklungs- bzw. Aufhebungsvertrag unbedingt enthalten sein.

In der Kündigungserklärung oder dem Abwicklungs- bzw. Aufhebungsvertrag darf nicht enthalten sein, dass die längere Frist aufgrund von betriebsbedingten Gründen erfolgt, da damit dokumentiert wäre, dass die Verlängerung allein oder überwiegend im Interesse des Arbeitgebers, z.B. aufgrund eines Personalengpasses, erfolgt.

"Alles hat ein Ende…" auch das Arbeitsverhältnis. In vielen Fällen ist es ratsam, die Probezeit für eine abschließende Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu nutzen. Start-ups sparen damit viel Zeit, viel Geld und viel Ärger. Wenn eine Verlängerung angedacht ist, dann müssen unbedingt die Kriterien eingehalten werden und insbesondere sollte die Verlängerung nicht mehr als drei, maximal vier Monate andauern.


Dr. Michaela Felisiak
(Rechtsanwältin, LL.M.)

Dr. Erik Schmid
(Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht)



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