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Die verhaltensbedingte Kündigung - Checkliste

In meiner tagtäglichen Praxis wird mir häufig ein bestimmtes Verhalten eines Arbeitnehmers geschildert und ich werde dabei um Rat gefragt, ob dies eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigt. Nach der Definition der Rechtsprechung ist die verhaltensbedingte Kündigung gerechtfertigt, „wenn Umstände im (steuerbaren) Verhalten des Arbeitnehmers vorliegen, die bei verständiger Würdigung in Abwägung der beiderseitigen Interessen der Vertragsparteien die Kündigung als billigenswert und angemessen erscheinen lassen“.

Liebe Leserin, lieber Leser,
wer einen Anwalt um Rat fragt, muss sich oft anhören, dass es auf den Einzelfall ankommt. So ist es auch bei der verhaltensbedingten Kündigung. Die folgende Checkliste soll helfen, ein Gefühl für verhaltensbedingte Kündigungen zu bekommen und insbesondere wirksame verhaltensbedingte Kündigungen bestmöglich vorzubereiten.

Unterscheidung der Kündigungen

Kündigungen sind hinsichtlich des Kündigungsgrundes (verhaltensbedingt, personenbedingt, betriebsbedingt), hinsichtlich der Art (ordentliche und außerordentliche Kündigung) sowie hinsichtlich der Nachweisbarkeit bei einem verhaltensbedingten Kündigungsgrund (Tatkündigung oder Verdachtskündigung) zu unterscheiden. Die Änderungskündigung spielt bei der Checkliste der verhaltensbedingten Kündigung keine Rolle.

Unterscheidung der ordentlichen Kündigungsmöglichkeiten

Nach § 1 KSchG ist die ordentliche Kündigung wie folgt zu unterscheiden:

  • verhaltensbedingt: Mitarbeiter kann, aber er will nicht vertragsgemäß leisten
  • personenbedingt: Mitarbeiter will, aber er kann nicht vertragsgemäß leisten
  • betriebsbedingt: Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit für den Mitarbeiter

Unterscheidung ordentliche und außerordentliche Kündigung

Hinsichtlich der Art ist die Kündigung wie folgt zu unterscheiden:

  • ordentlich: Beendigung nach Ablauf der Kündigungsfrist
  • außerordentlich: i.d.R. fristlose Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus „wichtigem Grund“
  • Bei der außerordentlichen Kündigung ist die 2-wöchige Ausschlussfrist gemäß § 626 Abs. 2 BGB zu beachten. Nach Ablauf dieser 2-Wochen-Frist ist eine Kündigung nicht mehr möglich. Bei wichtigen Gründen soll der Arbeitnehmer schnell Klarheit haben, ob sein Arbeitsverhältnis fortbesteht oder nicht. Beginn dieser Frist ist die Kenntnis des/der Kündi-gungsberechtigten von den kündigungsrelevanten Tatsachen.

Unterscheidung von Tat- und Verdachtskündigung

Die „normale“ Kündigung ist die Tatkündigung. Eine Tatkündigung liegt vor, wenn der Arbeitgeber von einer Pflichtverletzung des Arbeitnehmers überzeugt ist und diese Pflichtverletzung auch beweisen kann. Der Arbeitgeber spricht die verhaltensbedingte Kündigung wegen der „Tat“ (sogenannte Tatkündigung) aus. Kann der Arbeitgeber die Pflichtverletzung nicht sicher nachweisen oder besteht ein Risiko, dass er die „Tat“ nicht nachweisen kann, wird die verhaltensbedingte Kündigung oft als sogenannte „Verdachtskündigung“ ausgesprochen. Bei der Verdachtskündigung wird der Arbeitnehmer einer so schweren Pflichtverletzung verdächtigt, dass allein der Verdacht ausreicht, das Arbeitsverhältnis zu beenden. Beispielsweise besteht dringender Tatverdacht, der sich auf konkrete Tatsachen stützt, dass ein Arbeitnehmer eine Kollegin sexuell belästigt hat. Vor Ausspruch einer Verdachtskündigung ist dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber unter Angabe der konkreten Verdachtskündigung Gelegenheit zur Äußerung zu geben. In der Praxis wird oft eine Tat-, hilfsweise eine Verdachtskündigung ausgesprochen.

Abmahnung in der Regel Voraussetzung einer verhaltensbedingten Kündigung

Faustformel:

  • zwei bis drei einschlägige Abmahnungen vor jeder Kündigung
  • gleichgelagerte Pflichtverstöße
  • zeitlicher Abstand zwischen den Abmahnungen

Nach der Rechtsprechung ist die Abmahnung eine „deutliche und ernsthafte Missbilligung eines genau bezeichneten Fehlverhaltens des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber, verbunden mit der Aufforderung, das missbilligte Verhalten zu unterlassen unter gleichzeitigem Hinweis, dass ansonsten der Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet ist“. Die Abmahnung ist also der Ausdruck der Missbilligung eines Verhaltens unter Androhung der Kündigung, sofern der Arbeitnehmer sein Verhalten nicht ändert.

  • Erinnerungsfunktion: Es bedarf einer detaillierten Darstellung des gerügten vertragswidrigen Verhaltens. Eine pauschale Darstellung („wegen der Ihnen bekannten Vorfälle“) macht die Abmahnung unwirksam. Der Arbeitgeber fordert den Arbeitnehmer dabei auf, sich künftig vertragsgerecht zu verhalten und zeigt bestenfalls das erwartete vertragsgerechte Verhalten auf.
  • Missbilligungsfunktion: In der Abmahnung wird dem Arbeitnehmer verdeutlicht, dass der Arbeitgeber ein solches Verhalten nicht duldet.
  • Warnfunktion: Schließlich bedarf es eines deutlichen Hinweises, dass der Arbeitnehmer im Wiederholungsfall mit einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu rechnen hat.

Voraussetzungen der verhaltensbedingten Kündigung

Die Rechtsprechung definiert die verhaltensbedingte Kündigung als (schuldhafte) Pflichtverletzung des Arbeitnehmers.

Als Gründe, die „an sich“ geeignet sind, eine ordentliche Kündigung zu rechtfertigen, kommen z.B. in Betracht:

  • Schlechtleistung,
  • Arbeitsverweigerung,
  • Selbstbeurlaubung,
  • Verstöße gegen betriebliches Rauch- und Alkoholverbot,
  • Verletzung der Anzeige- und Nachweispflicht bei Krankheit,
  • Krankfeiern,
  • Beleidigung von Arbeitskollegen,
  • Diebstahl,
  • Vermögensdelikte,
  • Annahme von Schmiergeld,
  • Spesenbetrug,
  • Verletzung der Verschwiegenheitspflicht
  • Arbeitszeitbetrug

Nach der Rechtsprechung muss die Kündigung als weitere Voraussetzung verhältnismäßig sein, d. h. die Kündigung muss für die Vertragsverletzung des Arbeitnehmers das mildeste Mittel sein. Insbesondere darf eine Abmahnung oder eine Änderungskündigung nicht ausreichend sein. Bei der verhaltensbedingten Kündigung, die ein steuerbares Verhalten des Arbeitnehmers voraussetzt, ist regelmäßig die Erteilung einer Abmahnung vor Ausspruch der Kündigung erforderlich.

Schließlich bedarf es als weiterer Voraussetzung der ordentlichen verhaltensbedingten Kündigung noch einer umfassenden Interessenabwägung des Einzelfalls. Dabei wird unter Heranziehung der Sozialdaten des Arbeitnehmers geprüft, ob das Interesse des Arbeitgebers an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses oder das Interesse des Arbeitnehmers an der Fortsetzung überwiegt.

Mit der Beachtung dieser Checkliste können verhaltensbedingte Kündigungen sorgfältig vorbereitet und rechtswirksam ausgesprochen werden.

Wenn Sie Fragen zu diesem Thema haben, wenden Sie sich gerne an Dr. Erik Schmid.

Hinweis: Dieser Blogbeitrag ist bereits im arbeitsrechtlichen Blog von Dr. Erik Schmid im HJR-Verlag erschienen.

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Abmahnung Arbeitsrecht Kündigungsgrund Verdachtskündigung Tatkündigung Verhaltensbedingte Kündigung

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