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Bundesregierung will digitale Betriebsratsarbeit ermöglichen

Die Rufe nach der Öffnung des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) in Richtung Digitalisierung gab es schon lang vor Ausbruch der Corona-Pandemie. Zahlreiche Stimmen haben sich bisher für die Zulässigkeit der Beschlussfassung per Videokonferenz ausgesprochen. Bislang hat der Gesetzgeber diese Rufe aber nicht erhört. Die massiven Einschränkungen nach dem Corona-Ausbruch stellen nun jedoch auch die Handlungs- und Beschlussfähigkeit von Betriebsräten vor Probleme und bewegen die Politik zu einem Umdenken.

Zumindest zeitlich befristet soll nach dem Willen der Regierungsparteien eine Beschlussfassung auf digitalem Wege möglich sein. Das ergibt sich aus einer Meldung der Bundesregierung vom 9. April 2020 (Link). Nicht nur Betriebsräte, sondern auch Arbeitgeber würden von dieser Erleichterung profitieren, weil das Risiko eines unwirksamen Betriebsratsbeschlusses weitreichende Folgen hat. Man denke nur daran, dass eine Betriebsvereinbarung zur Einführung von Kurzarbeit aus formellen Gründen wegen nicht ordnungsgemäßer Beschlussfassung des Betriebsrats unwirksam ist. Die Kurzarbeit wäre nicht wirksam eingeführt, es würden sich zahlreiche Probleme und Risiken bei der Rückabwicklung ergeben.

Durch eine Neuregelung im BetrVG sollen Betriebsräte die Möglichkeit erhalten, Beschlüsse auch per Video- und Telefonkonferenz zu fassen. So sollen Präsenzsitzungen vermieden werden, ohne dass dadurch die Handlungsfähigkeit des Gremiums reduziert wird. Korrespondierende Regelungen soll es für Sprecherausschüsse, Personalräte und ähnliche Mitbestimmungsgremien geben. Geht es nach den Vorstellungen der Regierungsparteien, sollen die Änderungen noch im April verabschiedet werden und rückwirkend zum 1. März 2020 in Kraft treten, also auch bereits gefasste Beschlüsse heilen können.

Praxistipp:

Diese politische Entwicklung ist zu begrüßen und würde den Betriebsparteien im Falle der Umsetzung die nötige Rechtssicherheit in Zeiten von Corona geben. Momentan werden schließlich zahlreiche Arbeitgeber von ihren Betriebsratsgremien zur Abgabe von Erklärungen aufgefordert, in denen der Arbeitgeber zusichern soll, dass er in Zeiten von Corona gefasste Betriebsratsbeschlüsse arbeitsrechtlich nicht wegen möglicher Verstöße gegen Formvorschriften anfechten oder bestreiten wird. Teilweise finden sich dazu sogar Vorlagen auf betriebsratsnahen Websites. Dabei wird allerdings übersehen, dass das Risiko der Unwirksamkeit eines Betriebsratsbeschlusses trotz einer solchen Erklärung des Arbeitgebers gerichtlich festgestellt werden könnte und voll zu Lasten des Unternehmens gehen würde. Die Erklärung des Arbeitgebers seinem Betriebsrat gegenüber bindet das Arbeitsgericht ebenso wenig wie einen möglicherweise betroffenen Arbeitnehmer, der vor Gericht behauptet, die Betriebsratsanhörung zu seiner Kündigung nach § 102 BetrVG sei unwirksam gewesen oder der Betriebsvereinbarung zur Einführung von Kurzarbeit liege kein wirksamer Beschluss des Betriebsrats zu Grunde. Dieses Risiko könnte durch die geplante Neuregelung wirksam reduziert werden. Alle Beteiligten hätten dann eine rechtssichere Arbeitsgrundlage.

Hinweis: Der Beitrag ist in ähnlicher Form auf beck-online erschienen.

Martin Biebl