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Beschäftigung von ausländischen Fachkräften in Zeiten von Corona

Erst am 1. März 2020 ist das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz in Kraft getreten, das den Arbeitsmarktzugang in Deutschland für Fachkräfte aus Staaten außerhalb der Europäischen Union erweitern und teilweise erleichtern sollte. Nur kurze Zeit später wurden wegen der zunehmenden Verbreitung des Coronavirus weltweit Reisebeschränkungen erlassen, die Fachkräfteeinwanderung derzeit unmöglich erscheinen lassen. In Deutschland gelten seit dem 17. März 2020 Einreisebeschränkungen für Reisen aus Drittstaaten nach Deutschland. Die zunächst für 30 Tage geltenden Beschränkungen wurden bereits bis zum 15. Mai 2020 erweitert, eine weitere Verlängerung ist noch nicht absehbar, aber wahrscheinlich. Die deutschen Auslandsvertretungen sind gehalten, derzeit keine Visaanträge mehr anzunehmen, die Ausländerbehörden in Deutschland sind überwiegend für den Publikumsverkehr geschlossen, teilweise wurde auf Online-Verfahren umgestellt, nur vereinzelt werden Termine wieder zugelassen. Die mit dem Coronavirus einhergehenden Beschränkungen haben in vielerlei Hinsicht erhebliche Auswirkungen auf Beschäftigung ausländischer Fachkräfte. Betroffen sind dabei nicht nur Ausländer, die aktuell die Aufnahme einer Beschäftigung in Deutschland geplant hatten, sondern auch Ausländer, die sich bereits in Deutschland aufhalten bzw. hier schon beschäftigt sind. Das Bundesministerium des Innern (BMI) hat auf die Beschränkungen wegen der COVID 19-Pandemie reagiert. Aufgrund der Schließungen der Ausländerbehörden für den Publikumsverkehr und wegen des reduzierten Personalbestandes hat das BMI in zwei Rundschreiben Erleichterungen für die Ausländerbehörden vorgesehen und eine Verordnung zum Umgang mit Schengen-Visa während der Corona-Beschränkungen erlassen, die auch für Arbeitgeber, die ausländische Fachkräfte beschäftigen, interessant sind.

Einreise nur in Ausnahmefällen

Eine Einreise nach Deutschland ist für Drittstaatsangehörige, die noch kein längerfristiges Aufenthaltsrecht besitzen, ohne dringenden Grund derzeit nicht möglich. Ausnahmen gelten nur für Ausländer mit sogenannten „essential functions or needs“, insbesondere für Gesundheitspersonal und -forscher sowie für Pflegeberufe sowie für Grenzgänger, Transportpersonal im Warenverkehr und anderen notwendigen Bereichen. Nach dem BMI sollen beschleunigte Fachkräfteverfahren für die genannten Berufe prioritär behandelt werden. Für Fachkräfte anderer Berufe kommt es dagegen wegen der Reisebeschränkungen und der teilweise weiter andauernden Schließungen der Ausländerbehörden zu erheblichen Verzögerungen. Nach dem BMI sollen jedenfalls alle weiteren beschleunigten Fachkräfteverfahren von den Ausländerbehörden entsprechend ihrer Kapazitäten und in Absprache mit den Arbeitgebern weitergeführt werden, um nach Aufhebung der Reisebeschränkungen zügig eine Entscheidung zu ermöglichen.

Erleichterungen bei der Verlängerung bestehender Aufenthaltstitel

Für den Fall, dass ausländische Fachkräfte derzeit mit einem Aufenthaltstitel in Deutschland beschäftigt sind, dessen Gültigkeitsdauer abläuft, hat das BMI Erleichterungen vorgesehen. Insbesondere soll verstärkt die sog. Fiktionswirkung des § 81 Abs. 1 Aufenthaltsgesetzes genutzt werden. Wird die Verlängerung des Aufenthaltstitels beantragt (was derzeit auch formlos z.B. online, per E-Mail oder Telefon erfolgen kann), tritt die Fiktionswirkung kraft Gesetzes ein. Der bisherige Aufenthaltstitel gilt damit vom Zeitpunkt seines Ablaufs bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als fortbestehend. Dadurch kann die bisher erlaubte Beschäftigung auch nach Ablauf des Aufenthaltstitels weiter ausgeübt werden. Die Fiktionsbescheinigung gilt hierfür als Nachweis. Sollte die Bescheinigung aufgrund der besonderen Umstände von der Behörde nicht ausgestellt werden können, ist eine Bestätigung des Eingangs des Verlängerungsantrages durch die Behörde, in Notfällen sogar elektronisch ohne Unterschrift und Stempel als Nachweis ausreichend.

Besonderheiten für Inhaber von Schengen-Visa

Schengen-Visa werden für Aufenthalte von bis zu 90 Tagen innerhalb von 180 Tagen ausschließlich zu touristischen oder geschäftlichen Zwecken ausgestellt. Eine Erwerbstätigkeit ist auf Basis eines Schengen-Visums nicht erlaubt. Aufgrund der Einschränkungen durch das Coronavirus, insbesondere wegen des beinahe vollständig eingestellten internationalen Flugbetriebs, ist es für zahlreiche Inhaber von Schengen-Visa derzeit jedoch nicht mehr möglich, aus Deutschland auszureisen und in ihr Heimatland zurückzukehren. Aus diesem Grund hat das BMI eine Verordnung erlassen, nach der Inhaber von Schengen-Visa bis zum 30. Juni 2020 vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels befreit werden. Für sie ist nach der Verordnung sogar ausnahmsweise die rechtmäßige Ausübung einer Erwerbstätigkeit gestattet.

Fristverlängerung für Erlöschen von Aufenthaltstiteln

In der Regel erlöschen Aufenthaltstitel, wenn ein Ausländer aus Deutschland ausreist und sich mehr als sechs Monate im Ausland aufhält. Für die Fälle, dass ausgereiste Ausländer mit einem gültigen Aufenthaltstitel derzeit aufgrund des Coronavirus, z.B. wegen gestrichener Flugverbindungen, keine Möglichkeit haben, innerhalb der Sechsmonatsfrist nach Deutschland zurückzukehren, hat das BMI ebenfalls Erleichterungen vorgesehen. Den Ausländern soll hier eine großzügige Fristverlängerung gewährt werden, die aufgrund der besonderen Situation nicht wie üblich allein auf Antrag, sondern auch durch eine Allgemeinverfügung von Amts wegen erfolgen kann.

Kurzarbeit für ausländische Beschäftigte

Bei der Einführung von Kurzarbeit gilt für Ausländer, die mit einem gültigen Aufenthaltstitel beschäftigt sind, nichts anderes als für die anderen Mitarbeiter im Betrieb. Voraussetzung für den Bezug von Kurzarbeitergeld ist, dass der Ausländer in Deutschland der Sozialversicherungspflicht unterliegt. Daher erfüllen aus dem Ausland entsandte Arbeitnehmer in der Regel nicht die für den Anspruch auf Kurzarbeitergeld erforderliche Voraussetzung eines in Deutschland versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses, sie unterliegen der Regelung ihres Herkunftslandes. Die Einführung von Kurzarbeit für sozialversicherungspflichtig beschäftigte Ausländer hat keine Auswirkungen auf den Bestand des Aufenthaltstitels. Das gilt nach dem BMI auch in den Fällen, in denen wegen Kurzarbeit die für den Aufenthaltstitel erforderliche Gehaltsgrenze (z.B. bei einer Blauen Karte EU) zeitweise unterschritten wird, wobei die Einführung der Kurzarbeit jedoch eine Folge des Coronavirus sein muss.

Meldepflicht des Arbeitgebers bei vorzeitiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Mit dem neuen Fachkräfteeinwanderungsgesetz wurden die Pflichten des Arbeitgebers erweitert. Nach dem neuen § 4a Abs. 5 Aufenthaltsgesetz sind Arbeitgeber bei vorzeitiger Beendigung der Beschäftigung eines Ausländers verpflichtet, der zuständigen Ausländerbehörde innerhalb von vier Wochen ab Kenntnis mitzuteilen, dass die Beschäftigung, für die der Aufenthaltstitel erteilt wurde, vorzeitig beendet wurde. Für die Anzeigepflicht des Arbeitgebers ist irrelevant, ob die Beendigung des Arbeitsverhältnisses freiwillig oder z.B. durch arbeitgeberseitige Kündigung endet. Die Frist zur Meldung durch den Arbeitgeber beginnt nach den Anwendungshinweisen des BMI zum Fachkräfteeinwanderungsgesetz mit Kenntnis der personalverantwortlichen Stelle im Unternehmen. Nimmt der Arbeitgeber die Meldung nicht, nicht richtig oder nicht rechtzeitig vor, kann ein Bußgeld von bis zu 30.000 EUR verhängt werden.

Wegen der erschwerten Arbeitsbedingungen in vielen Unternehmen bedingt durch die Auswirkungen des Coronavirus, hat das BMI für die neue Arbeitgeberpflicht in seinem ersten Rundschreiben die Ausländerbehörden dazu angehalten, von der Ahndung eines Verstoßes abzusehen, wenn die Anzeige des Arbeitgebers kapazitätsbedingt erst verspätet erfolgt. Dennoch ist es für Arbeitgeber ratsam, das vorzeitige Ende der Beschäftigung des Ausländers frühzeitig innerhalb der Frist zu melden und dies entsprechend schriftlich zu dokumentieren.

Fazit/Praxistipps

Das erst vor kurzem in Kraft getretene Fachkräfteeinwanderungsgesetz scheint schon nach kurzer Zeit unerwartete Startschwierigkeiten zu bekommen. Doch das BMI hat schnell auf die Folgen des Coronavirus reagiert und für die Ausländerbehörden wie auch für ausländische Fachkräfte effektive Maßnahmen vorgesehen, mit denen ihre Beschäftigung weiterhin ermöglicht wird, auch wenn es – wie in vielen anderen Bereichen auch – derzeit immer noch zu Verzögerungen kommen kann. Ausländisch Beschäftigte sollten sich rechtzeitig informieren, welche Erleichterungen für sie gelten und welche Schritte sie bei Ihrer zuständigen Ausländerbehörde einleiten müssen, um ihr Aufenthaltsrecht und die Erlaubnis der Erwerbstätigkeit nicht zu verlieren. Arbeitgeber müssen nicht nur bei Neueinstellungen, sondern sollten auch bei bereits bestehenden Arbeitsverhältnissen regelmäßig überprüfen, ob die ausländischen Arbeitnehmer einen gültigen Aufenthaltstitel besitzen, der die konkrete Erwerbstätigkeit gestattet, um eine illegale Ausländerbeschäftigung zu vermeiden.

Dr. Michaela Felisiak

Dr. Martina Schlamp