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Bundesarbeitsgericht vom 20. Juni 2018 – 5 AZR 262/17

Verhandeln Arbeitgeber und Arbeitnehmer über einen Vergleich betreffend ausstehender Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, kommen arbeitsvertragliche Ausschlussfristen zur gerichtlichen Geltendmachung während dieser Zeit zum Stillstand.

Sachverhalt

Der Arbeitnehmer war vom 1. Januar 2014 bis 31. Juli 2015 beim Arbeitgeber beschäftigt. Der Arbeitsvertrag enthielt eine Ausschlussklausel, die verlangt, dass Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb von drei Monaten ab Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden müssen. Ferner sind bei Ablehnung die Ansprüche innerhalb von weiteren drei Monaten ab Zugang der Ablehnung bei Gericht einzufordern. Andernfalls sind die Ansprüche verfallen. Der Verfall von Mindestlohnansprüchen war in der Klausel nicht ausgeschlossen. Mit Schreiben vom 14. September 2015 verlangte der Arbeitnehmer die Abgeltung der Urlaubstage sowie die Bezahlung seiner Überstunden. Mit Schreiben vom 28. September 2015 lehnte der Arbeitgeber die Ansprüche ab. Die Anwälte beider Parteien verhandelten daraufhin bis Januar 2016 über einen außergerichtlichen Vergleich. Die Vergleichsverhandlungen blieben jedoch ergebnislos, woraufhin der Arbeitnehmer im Januar 2016 Klage erhob. Das Arbeitsgericht wies die Klage ab. Auch die vom Arbeitnehmer eingelegte Berufung blieb erfolglos. Das Landesarbeitsgericht war der Auffassung, dass die Ansprüche verfallen seien, weil der Arbeitnehmer nicht rechtzeitig innerhalb von drei Monaten Klage erhoben habe.

Die Entscheidung

Das BAG hob das Urteil auf. Der Arbeitnehmer habe entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts die dreimonatige Ausschlussfrist für die klageweise Geltendmachung gewahrt. Die Frist sei für die Dauer der Vergleichsverhandlungen entsprechend § 203 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) gehemmt gewesen.

Konsequenzen für die Praxis

Streitigkeiten und Verhandlungen über Ansprüche sind im Arbeitsleben keine Seltenheit. Die Arbeitsvertragsparteien bleiben jedoch über längere Zeit im Ungewissen, ob und welche Ansprüche geltend gemacht werden. Vor dem Hintergrund langjähriger Verjährungsfristen sind dreimonatige Ausschlussfristen im Arbeitsvertrag üblich, um schneller Rechtssicherheit zu schaffen. Das mit Spannung erwartete Urteil des BAG brachte aber überraschend keinerlei Aufklärung zur umstrittenen Frage, ob die Ausschlussklausel insgesamt unwirksam ist, weil von ihr im vorliegenden Fall Mindestlohnansprüche nicht ausdrücklich ausgenommen wurden. Das BAG hat aber zumindest Klarheit darüber geschaffen, dass arbeitsvertragliche Ausschlussfristen zur gerichtlichen Geltendmachung während der Zeit von Vergleichsverhandlungen zum Stillstand kommen.

Praxistipp

Die Hemmung der arbeitsvertraglichen Ausschlussfrist wird erst dann beendet, wenn der Arbeitgeber klar und eindeutig zu erkennen gibt, dass er die Fortsetzung der Verhandlungen verweigert. Wollen also Arbeitgeber nach erfolgten Verhandlungen die dreimonatige Ausschlussfrist wieder zum Laufen bringen, ist ein „doppeltes Nein“ erforderlich: kein Anspruch, keine weiteren Verhandlungen. Das bloße „Einschlafenlassen“ der Verhandlungen bedeutet nicht zwangsläufig eine Verweigerung. Arbeitgeber sollten außerdem im Arbeitsvertrag Mindestlohnansprüche vom Anwendungsbereich der Ausschlussklausel herausnehmen, damit die Klausel sicher wirksam ist, da in dieser Frage nach wie vor keine höchstrichterliche Entscheidung vorliegt

Wenn Sie Fragen zu diesem Thema haben, wenden Sie sich gerne an Gerd Kaindl.

TAGS

Arbeitsrecht Arbeitsvertragliche Ausschlussfristen