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Wirksamkeit einer Betriebsvereinbarung kann nicht von der Zustimmung der betroffenen Arbeitnehmer abhängig gemacht werden

Bundesarbeitsgericht vom 28. Juli 2020 – 1 ABR 4/19

Der Betriebsrat kämpft für die Belegschaft – so wird die Tätigkeit des im Betriebsverfassungsgesetz beschriebenen Gremiums allgemein wahrgenommen. Dabei kann er jedoch auch einmal über das Ziel hinausschießen, wie der vorliegende Fall zeigt: Betriebsrat und Arbeitgeber schlossen eine Betriebsvereinbarung, deren Geltung von der Zustimmung der Belegschaft abhängig gemacht wurde. Zu klären war, ob eine solche Bedingung wirksam vereinbart werden kann. Das BAG entschied, dass dies nicht möglich und die Betriebsvereinbarung somit unwirksam ist.

Sachverhalt

Der Antragsteller ist der Betriebsrat eines Logistik- und Produktveredelungsdienstleisters. Antragsgegner ist das Unternehmen als Arbeitgeber. Die Beteiligten schlossen 2007 eine Betriebsvereinbarung über eine variable Vergütung für die Mitarbeiter im Lager, wobei die Höhe der Vergütung unter anderem an leistungsorientierte Kriterien anknüpfte. Die Betriebsvereinbarung sollte jedoch nur dann umfassend in Kraft treten, wenn 80% der abgegebenen Stimmen der in den Geltungsbereich der Vereinbarung fallenden Arbeitnehmer bis zum Ablauf der vom Unternehmen jeweils gesetzten Frist der Betriebsvereinbarung einzelvertraglich schriftlich zustimmen. Sollte dies nicht der Fall sein, konnte der Arbeitgeber die Betriebsvereinbarung unter Umständen dennoch für wirksam erklären. Das Zustimmungsquorum von 80% wurde erreicht. Der Betriebsrat beantragte gerichtlich die Feststellung der Unwirksamkeit der Betriebsvereinbarung.

Die Entscheidung

Das BAG gab dem Betriebsrat Recht und stellte die Unwirksamkeit der Betriebsvereinbarung fest. Eine Betriebsvereinbarung wirkt grundsätzlich normativ. Dies bedeutet, dass Betriebsvereinbarungen unmittelbar und zwingend gelten. Sie wirken folglich direkt und ohne weiteren Zwischenakt auf das Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers ein und sind grundsätzlich nicht abdingbar. Betriebsvereinbarungen haben somit gesetzesgleiche Wirkung. Diese normative Wirkung kann laut BAG nicht von der Zustimmung der Belegschaft abhängig gemacht werden. Dies widerspräche den Strukturprinzipien der Betriebsverfassung: Sie legt fest, dass der Betriebsrat die Arbeitnehmer aufgrund der Betriebsratswahl repräsentiert. Er werde daher als Organ der Betriebsverfassung im eigenen Namen kraft Amtes tätig und sei daher weder an die Weisungen der Arbeitnehmer gebunden noch bedürfe sein Handeln deren Zustimmung. Das Gesetz legt fest, dass eine vom Betriebsrat abgeschlossene Betriebsvereinbarung normativ und unmittelbar gilt. Damit gestaltet sie unabhängig vom Willen oder der Kenntnis der Parteien eines Arbeitsvertrags das Arbeitsverhältnis. Auch später eintretende Arbeitnehmer würden von ihr erfasst. Das schließt nach Ansicht des BAG aus, die Geltung einer Betriebsvereinbarung an das Erreichen eines Zustimmungsquorums, verbunden mit dem Abschluss einer einzelvertraglichen Vereinbarung mit dem Arbeitgeber, zu knüpfen.

Konsequenzen für die Praxis

Das Urteil macht deutlich, dass der Betriebsrat nicht zugunsten Dritter auf sein Mitbestimmungsrecht verzichten kann. Er muss sein Mandat höchstpersönlich wahrnehmen und kann sich seiner Repräsentationsfunktion auch nicht gegenüber den Arbeitnehmern selbst entziehen.

Praxistipp

Als Arbeitgeber ist daher bei Verhandlung und Abschluss einer Betriebsvereinbarung darauf zu achten, dass nur der Betriebsrat als Verhandlungspartner und Vertragspartei aufritt und einbezogen wird. Dies kann den Prozess jedoch auch erheblich vereinfachen, da sich der Arbeitgeber auch nur auf den Betriebsrat als Verhandlungspartner einlassen muss. Dritte können die Wirksamkeit einer ausgehandelten Betriebsvereinbarung nicht verhindern, der Betriebsrat hat die Betriebsvereinbarung auf eigene Verantwortung zu schließen.

Regina Holzer

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Arbeitsrecht Betriebsvereinbarung Betriebsrat BAG

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