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Rückzahlung von Fortbildungskosten auch bei Nichtantritt oder Abbruch der Fortbildung?

LAG Niedersachsen vom 12. Oktober 2022, Az. 8 Sa 123/22

Eine Fortbildungsvereinbarung kann eine Pflicht zur Rückzahlung von Fortbildungskosten wirksam an ein Nichtantreten der Fortbildung oder einen Abbruch derselben durch den Arbeitnehmer knüpfen, sofern dies auf Fälle beschränkt ist, in denen der Arbeitnehmer auf eigenen Wunsch oder aus eigenem Verschulden die Fortbildung nicht antritt oder abbricht.

Sachverhalt

Eine im öffentlichen Dienst tätige Arbeitnehmerin schloss mit dem Arbeitgeber eine Fortbildungsvereinbarung, auf deren Grundlage die Arbeitnehmerin einen ca. zweijährigen Verwaltungslehrgang absolvieren und hierzu unter Fortzahlung der Vergütung freigestellt werden sollte. Der Arbeitgeber verpflichtete sich zur Übernahme der Kosten der Freistellung, der Lehrgangs- und Prüfungsgebühren und auch der anfallenden Reisekosten. Nach wenigen Monaten kündigte die Beschäftigte jedoch ihr Arbeitsverhältnis und brach den Lehrgang ab.

Der Arbeitgeber verlangte von ihr daraufhin die Rückzahlung der bis dahin angefallenen Kosten von insgesamt rd. 5.000 EUR. Die Fortbildungsvereinbarung regelte hierzu, dass im Fall eines Nichtantritts oder vorzeitigen Abbruchs des Lehrgangs die angefallenen Kosten in voller Höhe zu erstatten seien, sofern der Nichtantritt bzw. der Abbruch allein auf eigenen Wunsch oder aus eigenem Verschulden der Arbeitnehmerin erfolge und nicht auf Gründen beruhe, die dem Verantwortungsbereich des Arbeitgebers zuzuordnen bzw. von diesem mitveranlasst seien.

Die Arbeitnehmerin hielt diese Regelung für unwirksam, da die Klausel eine unbedingte und vollständige Rückzahlungspflicht begründe und ihr damit die Möglichkeit nähme, die Rückzahlungspflicht durch eine nachfolgende Arbeitsleistung „abzuarbeiten“. Zudem bringe ihr die Fortbildung in ihrem neuen Arbeitsverhältnis außerhalb des öffentlichen Dienstes auch keinerlei Vorteil, da sie die erworbenen Kenntnisse hier nicht nutzen könne.

Die Entscheidung

Wie bereits erstinstanzlich das ArbG Verden, stellte sich das LAG Niedersachsen auf die Seite des Arbeitgebers und verurteilte die Arbeitnehmerin zur vollen Rückzahlung der angefallenen Kosten. Das LAG Niedersachsen führte in der Entscheidung sorgfältig aus, dass eine solche Klausel keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegne. Die Rückzahlungspflicht werde nach der gewählten Formulierung nur dann ausgelöst, wenn entweder der unmittelbare Wunsch und Wille des Arbeitnehmers darauf gerichtet sei, die Fortbildung nicht anzutreten bzw. nicht fortzusetzen, obwohl er dies könnte, oder wenn sein eigenes Verschulden zum Nichtantritt bzw. Abbruch der Fortbildung geführt habe. Der Arbeitnehmer habe es damit ausschließlich selbst in der Hand, die Rückzahlungspflicht zu vermeiden. Mit diesem Inhalt sei eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers nicht zu erkennen.

Auch dass ein Nichtantritt oder Abbruch der Fortbildung zu einer unmittelbaren und vollständigen Rückzahlungspflicht ohne die Möglichkeit eines nachfolgenden „Abarbeitens“ führe, sei nicht zu beanstanden. Denn im Fall eines Nichtantritts oder Abbruchs der Fortbildung würden die arbeitgeberseitigen Aufwendungen ebenso vollständig frustriert, und zwar aus allein vom Arbeitnehmer zu vertretenden Gründen.

Schließlich sei auch irrelevant, ob die Arbeitnehmerin die vor dem Abbruch erworbenen Kenntnisse in ihrem neuen Arbeitsverhältnis verwerten könne. Dies spiele nur bei der Beurteilung von Rückzahlungsklauseln eine Rolle, welche eine Bleibepflicht nach vollendeter Fortbildung statuierten.

Im Übrigen genüge die Klausel auch dem Transparenzgebot. Insbesondere seien die einzelnen, von der Rückzahlungspflicht betroffenen Kosten hinreichend genau aufgeschlüsselt und beziffert worden.

Da jedoch die Frage, ob eine Rückzahlungspflicht wirksam auch für die Fälle eines Nichtantritts bzw. vorzeitigen Abbruchs einer Fortbildung vereinbart werden könne, höchstrichterlich noch nicht entschieden sei, ließ das LAG Niedersachsen die Revision zum Bundesarbeitsgericht zu. Diese Revision wurde von der Arbeitnehmerin jedoch nicht eingelegt, so dass die Entscheidung rechtskräftig ist.

Konsequenzen für die Praxis

Die Entscheidung verdient Zustimmung. Arbeitgeber übernehmen die nicht unerheblichen Kosten für eine Fortbildung und die damit verbundene, vergütete Freistellung aus der Motivation heraus, dass ihnen nach abgeschlossener Fortbildung und Rückkehr des Arbeitnehmers ein „Mehrwert“ in Form von dessen durch die Fortbildung erworbenen Kenntnissen und Fähigkeiten zugutekommt. Macht der Arbeitnehmer diese nachvollziehbare Erwartung jedoch dadurch zunichte, dass er auf eigenen Wunsch bzw. durch eigenes Verschulden die Fortbildung gar nicht erst antritt oder vor ihrer Vollendung abbricht, besteht ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers an der Rückzahlung der bereits geleisteten und durch den Entschluss des Arbeitnehmers vollständig entwerteten Aufwendungen. Dieses Interesse kann durch die Vereinbarung einer entsprechenden Rückzahlungspflicht effektiv geschützt werden. Angesichts dessen ist die Entscheidung des LAG Niedersachsen, die nun auch in diesem Punkt für Rechtssicherheit sorgt, zu begrüßen.

Gleichwohl ist bei der Formulierung entsprechender Vereinbarungen hohe Aufmerksamkeit geboten. Insbesondere darf die Rückzahlungspflicht keinesfalls auch Fälle eines Nichtantritts bzw. Abbruchs der Fortbildung erfassen, die ohne Verschulden des Arbeitnehmers eintreten (wie z.B. bei Auftreten einer längerfristigen Erkrankung) oder die in irgendeiner Form vom Arbeitgeber veranlasst oder zu vertreten sind. Die Rückzahlungspflicht darf sich vielmehr ausschließlich auf solche Sachverhalte beziehen, in denen der Arbeitnehmer aus freiem Entschluss oder aus ausschließlich eigenem Verschulden die Fortbildung nicht antritt oder vorzeitig abbricht. Zudem müssen aus Transparenzgründen die im Rückzahlungsfall zu erstattenden Kosten so konkret wie möglich nach Art und Höhe aufgeschlüsselt und spezifiziert werden, damit der Arbeitnehmer überblicken kann, was im Fall des Falles auf ihn zukommt. Die in der Entscheidung des LAG Niedersachsen in Frage stehende Klausel war jedoch sorgfältig und vorsichtig formuliert, so dass sie vom Gericht zurecht für wirksam befunden wurde.

Dr. Michael Matthiessen

Zur besseren Lesbarkeit wird in dem vorliegenden Beitrag auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Es wird das generische Maskulin verwendet, wobei alle Geschlechter gleichermaßen gemeint sind.

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